Lesermeinung: Nur historische Bauten ziehen Besucher
„Kritik an Äußerung von Kabarettistin“, 21.2.
Stand:
„Kritik an Äußerung von Kabarettistin“, 21.2. und Leserpost „“Der zackige Humor des preußischen Offizierskasinos““, 26.2.
Ich war auch dabei, als Frau Kuster den unglücklichen Witz machte. Ich würde mich an ihrer Stelle bei denen, die sich davon getroffen fühlen, entschuldigen. Andererseits, wenn ich so unsere Spaßkultur verfolge, gibt es regelmäßig solche unter die Gürtellinie gehenden Dinge, über die kein Aufschrei der Empörung zu hören ist.
Frau Kusters Satz ist ein Beleg für die Schärfe der Diskussion um die äußere Gestalt des neuen Landtagsgebäudes: „Historisch“ oder „modern“? Da muss man Frau Kuster recht geben, der Landtag sollte möglichst nahe in seiner äußeren Gestaltung dem alten historischen Potsdamer Stadtschloss entsprechen. Ich bin kein Gegner moderner Architektur, aber wir brauchen uns doch nur das anzusehen, was seit dem Kriegsende 1945 in Potsdam, als einer bis dahin schönsten Stadt in Deutschland, als Ersatz für verloren gegangene Architektur entstanden ist. Das Schlimme zu DDR-Zeiten war, dass nicht nur Kriegsschäden durch gesichtslose Neubauten ersetzt wurden, sondern auch wertvolle und intakte alte Bausubstanz, die über Jahre dem Verfall preisgegeben oder durch Plattenbauten oder Parkplätze ersetzt wurde. So geschehen in der Breiten Straße oder mit dem ehemaligen Rechenzentrum, das wohl kein adäquater Ersatz für die Garnisonkirche war. Auch der Neubau in der Charlottenstraße/Ecke Dortustraße ist kein gleichwertiger Ersatz für das Schinkelsche Kasino, das hier stand.
Damals gab es nicht genügend materielle und finanzielle Mittel, weshalb nicht besser gebaut werden konnte. Der Gebäudekomplex der FHP und die Bibliothek sind „Notdurftarchitektur“. Ich verstehe nicht, warum sich der freie Architekt und Stadtplaner Bernhard Wendel über die Qualifizierung dieser Architektur durch Günther Jauch aufregt und ihm die moralische Berechtigung zu einer derartigen Feststellung abspricht. Aber auch das, was nach der Wende als moderne Architektur entstand, ob Wilhelmgalerie, Potsdam-Center oder IHK-Gebäude überzeugen in keiner Weise. Es sind Zeugnisse dafür, dass die Schöpfer „moderner“ Architektur, zumindestens in der Potsdamer Innenstadt, weitestgehend versagten. Überzeugende Wiederherstellungen stellen lediglich die Gebäude dar, die nach historischem Vorbild saniert oder restauriert wurden. Zum Beispiel die schon Anfang der 50er Jahre in ihrer barocken Gestalt wieder hergestellte Wilhelm-Staab-Straße, von der heute keiner mehr weiß, dass dort keine Originalbauten aus dem 18. Jahrhundert stehen. Vor allem aber die Sanierungen der historischen Gebäude nach der Wende führten dazu, dass Touristen nach Potsdam nicht nur wegen der Schlösser und Gärten kommen, sondern zunehmend auch, weil unsere Stadt selbst eine Attraktion geworden ist.
Diese Attraktivität könnte noch mehr Besucher anlocken, wenn die jetzige Brache in der Potsdamer Mitte verschwindet und der Landtag in der historischen Gestalt des Potsdamer Stadtschlosses errichtet werden würde. Für moderne Architektur gibt es noch genügend Raum in Potsdam. Aber nicht an dieser Stelle, die noch immer – auch nach dem Abriss der Reste des alten Stadtschlosses vor rund 47 Jahren – von der Erinnerung an die Knobelsdorffsche Architektur geprägt ist.
Wolfram Maede, Potsdam
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