Lesermeinung: Potsdam, Hauptstadt der „Überwachungs-Unkultur“?
Eine öffentliche Dienstaufsichtsbeschwerde: Verquere Verkehrsmoral So recht will''s mit Potsdam nicht vorangehen: Pro-Kopf-Einkommen und Kaufkraft sind wenig mitreißend; der Kommunal-Haushalt ist bankrott; eine „Wissenschaftsstadt“ mit chronisch unterfinanzierten Hochschulen. Da rückt eine bislang noch überhaupt nicht diskutierte PR-Alternative in den Blick: Potsdam als „Hauptstadt der Überwachungs-Unkultur“ Denn die These wäre erst noch zu widerlegen: In keiner anderen Stadt wird durch Geschwindigkeitskontrollen so viel abgezockt wie in Potsdam.
Stand:
Eine öffentliche Dienstaufsichtsbeschwerde: Verquere Verkehrsmoral So recht will''s mit Potsdam nicht vorangehen: Pro-Kopf-Einkommen und Kaufkraft sind wenig mitreißend; der Kommunal-Haushalt ist bankrott; eine „Wissenschaftsstadt“ mit chronisch unterfinanzierten Hochschulen. Da rückt eine bislang noch überhaupt nicht diskutierte PR-Alternative in den Blick: Potsdam als „Hauptstadt der Überwachungs-Unkultur“ Denn die These wäre erst noch zu widerlegen: In keiner anderen Stadt wird durch Geschwindigkeitskontrollen so viel abgezockt wie in Potsdam. Und es komme mir keiner und behaupte noch allen Ernstes, innerhalb dieser durchkontrollierten Stadt diene das Ganze der Unfallverhütung. Raser dürften nur noch in Ausnahmefällen gestellt werden. Gepackt werden in erster Linie die Schlafmützen, deren PKW statt mit 30 km/h versehentlich (!) mal auf 41 km/h rollt oder auf schnurgerader Straße statt mit 50 km/h mal mit 62 km/h fährt. Aber: Kleinvieh macht auch Mist. 500-mal, zwischen 15 und 25 Euro, summieren sich ebenfalls auf etwa 10000 Euro Tageseinnahmen! Dass es um die Aufbesserung des Kommunal-Haushaltes geht, wird nicht zuletzt daran ersichtlich, dass es ja nicht die Beamten der Landespolizei, sondern die Ausgesandten des städtischen Ordnungsamtes sind, die da messen und blitzen. Ihren hoheitlichen Aufgaben gehen diese nicht nur mit unübertroffenem Pflichtbewusstein, sondern auch mit ungebrochenem Engagement nach. Darauf gründet meine zweite These: Nirgendwo sonst wird so trickreich und raffiniert abgezockt wie in Potsdam. Da wird der Messwagen hemmungslos im absoluten Halteverbot geparkt. Da werden Äste kunstvoll drapiert und wird Laub aufgehäufelt, um die Blitzanlage zu tarnen. Da wird ein Wagen mit einer Leiter auf dem Dach bestückt, auf dass er eher als Auto eines Handwerkers, denn als Messwagen eines Ordnungshüters wahrgenommen werde. Da wird der Messwagen auf einem Waldweg im Landschaftsschutzgebiet versteckt und mit Planen in gedeckten Farben verhängt, damit möglichst viele in die vermeintlich unsichtbare Falle tappen (Foto). Ärgerlich sind nicht so sehr die Geschwindigkeitskontrollen. Ärgerlich ist die Unverfrorenheit mit der die für alle Verkehrsteilnehmer geltenden Verkehrsregeln übergangen werden, um so genannte „hoheitliche“ Aufgaben zu verfolgen. Noch ärgerlicher aber ist die offensichtlich nur ganz und gar schwächlich ausgeprägte Verkehrsmoral der Ordnungshüter selbst, die darin in Erscheinung tritt, dass sie die Einhaltung der Verkehrsregeln überwachen, indem sie selbst die Verkehrsregeln konsequent übertreten. Wobei noch nicht ausgemacht ist, wer sich da auf dem Ordnungsamt der Landeshauptstadt durch besonders skrupelloses Raffinement auszeichnet. In jedem Fall aber wird dieses Vorgehen durch die Verantwortlichen ohne Vorbehalte gebilligt. Dort sieht man, so die Antwort auf eine ausdrückliche Nachfrage, keinen Anlass zur Revision dieser Überwachungspraxis. Deshalb ergeht hiermit eine öffentliche Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Verantwortlichen des Ordnungsamtes der Landeshauptstadt. Auf den Titel einer „Hauptstadt der Überwachungs-Unkultur“ wollen wir gerne verzichten! Prof. Dr. Jürgen Baur, Potsdam
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: