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Lesermeinung: POTSDAMS GESCHEITERTE BEWERBUNG als Kulturhauptstadt im Jahr 2010

Potsdam hatte Europa nichts zu sagen Ruhe war in den letzten Wochen erste Bürgerpflicht. Jetzt aber, wo der Oberbürgermeister, sein Chefbewerber und diverse seiner Mitarbeiter sich, trotz Niederlage, mal wieder gesund loben, jetzt darf, nein muss auch ein überzeugter Potsdam-Fan endlich ein offenes Wort sagen.

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Potsdam hatte Europa nichts zu sagen Ruhe war in den letzten Wochen erste Bürgerpflicht. Jetzt aber, wo der Oberbürgermeister, sein Chefbewerber und diverse seiner Mitarbeiter sich, trotz Niederlage, mal wieder gesund loben, jetzt darf, nein muss auch ein überzeugter Potsdam-Fan endlich ein offenes Wort sagen. Also, mein Fazit einer dilettantischen Bewerbung: Potsdam hatte Europa nichts zu sagen! Was hätten Deutschland und Europa von einer Kulturhauptstadt Potsdam gehabt? Was war der Inhalt, die gelebte Idee? Statt dessen die immer gleiche Selbstgenügsamkeit, die klein geistige, gegenseitige Bestätigung, wie toll man sei. Peinliche Leere. Ist das die offizielle Botschaft Potsdams an Europa? Wir sind reich und schön! Wir sind stolz! Wir haben tolle Baudenkmale von früher! Wir Stadtfürsten sind zufrieden, was wir doch alles für uns erreicht haben. Viel geschieht, trotz unseres Bemühens. Diesmal nicht. Es gab in den letzten Wochen schon lächerliche Auftritte unserer Verantwortungsträger. Beispiel: „Wir haben bald ein Theater“ – wie einzigartig. „Wir haben Hochschulen“ – sonst niemand? Potsdam ist sich offenbar selbst genug - eine satte, trügerische Sicht. Für eine Kulturhauptstadt zu wenig! Und floriert nicht eher Unkompetenz als Kultur? Wie steht es um das Ringen um Baukultur von heute? Da wird fröhlich dilettiert, überholte Großvater-Architektur von Niemeyer zur einzig wahren erklärt, anstatt zeitgemäße Ideen und Köpfe zu suchen. Wie steht es um die Kunst? Schriftsteller werden durch Anmaßungen des städtischen Wohnungsunternehmens verprellt. Die Kulturetats trocknen aus, aber der Stadtwerkechef gibt jährlich im Lustgarten eine Art Privat-Fete mit seinen Lieblingsstars - spendiert aus wohl der Stadt zustehenden Überschüssen aus Strom- und Wassergebühren. Protz statt Kultur. Wo bleiben eigentlich Substanz und Kritik und die Kraft dazu? Ich freue mich, dass die Jury unter Kultur nicht satte Leere, sondern Suche, Widerspruch, Entwicklung und Auseinandersetzung versteht. Potsdams Bewerbung signalisierte das nicht. Bernd Weber, Potsdam Zu: „Potsdam wird nicht Kulturhauptstadt“, 11.3. Sie hatten sich schon so sicher gefühlt, unsere so geschätzten Repräsentanten, Platzeck und Jakobs, Fischer und van Dülmen, Nooke und Kuick-Frenz und viele andere. In ihrem grenzenlosen Optimismus bemerkten sie nicht, wie schon vor der angekündigten Visite der Auswahlkommission, deren Späher bereits wochenlang durch Potsdam streiften, um Vorentscheidungen zu treffen. Die ließen sich nicht beeindrucken von vergoldeten Schmiedeeisen - Lauben oder der laienhaften Andeutung des Stadtkanals. Nein, die sind bis in die Brandenburger Vorstadt gekommen und dort habe ich sie selbst beobachtet. Sie waren zu dritt. Als sie in die Geschwister-Scholl-Straße einbogen, bemerkte ich schon, wie der erste die Augen verdrehte. Der zweite fotografierte die Häuserfassaden mit ihrem Graffiti-Schmuck und musste offensichtlich mit seinem Brechreiz kämpfen. Und der Dritte konnte nicht mehr einem Haufen Hundekot ausweichen. Darauf verließen sie alle fluchtartig das Stadtviertel. Mir kam das übertrieben vor, denn für mich als Einwohner gehören Dreck und Verwahrlosung zum Bild einer Kulturstadt. Das ist doch nur eine Frage der Gewöhnung! Dass diese Kundschafterdelegation so empfindlich und sensibel auf das wahre Kulturleben reagiert hat, zeigt doch nur, wie dekadent und realitätsfern gewisse selbst ernannte Eliten ihre antiquierten Maßstäbe behaupten wollen. Und das immerzu über die Köpfe der Bürger und ihrer gewählten Vertreter hinweg. Eine Schande ist das! Aber einen Trost gibt es: In der Brandenburger Vorstadt wird die Graffiti-Kunst und die Hundekackeplastik weiterhin hochgehalten! Gottlob sind die lästigen Späher wieder weg und keiner kann uns mehr in unsere Hausmacher-Kultursuppe spucken. Das ist doch bei aller Enttäuschung eine gehörige Portion Genugtuung! Peter Zenthöfer, Potsdam Das eine und das andere Potsdam Potsdam das sind eben nicht nur die Schlösser und Gärten und die schön restaurierten Villen, in denen die Damen und Herren „Wichtig“ wohnen. Potsdam das sind auch schrecklich beschmierten Hausfassaden; schmutzige Busbahnsteige am Hauptbahnhof; den Touristen gegenüber zum Teil sehr unfreundliche Busfahrer; ein unsäglicher Klotz von Bahnhofsgebäude mit leer stehenden Geschäften; immer noch verfallende Gebäude, noch aus der Nachkriegszeit; ein schrecklich-furchtbarer Neubau am Stern (Keplerplatz) mit Wellblechfassade; die Literaturstipendiatengeschichte; verunstaltete, hässliche Plätze – Luisenplatz, Platz der Einheit – letzterer mit Unrat zugeschüttet, wenn die dort Lagernden mit ihren Hunden den Platz verlassen haben. Ich bin übrigens waschechte Potsdamerin, 1941 hier geboren, zur Schule gegangen, geheiratet, Kinder groß gezogen und weiß eigentlich bis heute nicht, ob ich meine Heimatstadt so richtig liebe. Aber ich bin auf alle Fälle immer noch hier. Doris Riik, Potsdam Ich empfehle einen Ausflug nach Görlitz Mit Interesse habe ich die Reaktionen von Politikern, Kommentatoren und Potsdamer Bürgern auf die Niederlage unserer Stadt bei der Kulturhauptstadtbewerbung gelesen. Von außergewöhnlichen Potenzialen wird gesprochen. Potsdam und seine Schlösser und Gärten werden in die Waageschale geworfen, das kulturelle Angebot in der Stadt gelobt. Jede Medaille hat zwei Seiten. In Potsdam gehören zur einen, die uns so stolz machenden, liebevoll erhaltenden, wieder hergestellten, Bauwerke der Vergangenheit. Und außerdem die Verbundenheit der Bürger mit ihrer Stadt, ihre Beteiligung an der Bewerbung, die Lebensqualität in unserer Stadt – auch das gehörte wohl zu den Bewerbungskriterien. Wenn man sieht, wie schmutzig ganze Teile Potsdams sind, wie Müll teilweise wochenlang herumliegt, wie nicht nur alte, sondern auch sorgfältig sanierte Häuser durch Graffiti verunstaltet sind, wie Hundekot die Straßen verschmutzt, wie es immer weniger Freude macht, unsere schönen Parkanlagen zu genießen (freilaufende Hunde, Rasenlagerer) ... Das alles geschieht, ohne dass ernsthafte, sichtbare Bemühungen der zuständigen Organe der Stadtverwaltung zu erkennen sind, um die offensichtlich nur auf dem Papier stehende Stadtordnung umzusetzen. Ich kann mich der selbstsicheren Behauptung eines Verantwortlichen nicht anschließen, der da sagte: „Kulturhauptstadt sind wir ja sowieso schon“. Ich empfehle einen Ausflug nach Görlitz, einer liebenswerten, sauberen Stadt mit viel Historie und Kultur, an der man seine Freude hat. Sigrid Kieseweski, Potsdam

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