zum Hauptinhalt

Lesermeinung: Pro & Contra zum Richtfest für den Landtagsneubau

Zum Richtfest für das Landtagsschloss auf dem Alten MarktWer die breite Berichterstattung der hiesigen Medien über das Richtfest verfolgt, könnte meinen, die Diskussion um den Bau kreise um eine Differenz von zwei Millimetern bei den Fenstersprossen. Ganz so ist es wohl nicht.

Stand:

Zum Richtfest für das Landtagsschloss auf dem Alten Markt

Wer die breite Berichterstattung der hiesigen Medien über das Richtfest verfolgt, könnte meinen, die Diskussion um den Bau kreise um eine Differenz von zwei Millimetern bei den Fenstersprossen. Ganz so ist es wohl nicht. Die Landtagsabgeordneten hatten 2005 beschlossen, den Neubau in den äußeren Um- und Aufrissen des Knobelsdorff’schen Schlosses zu errichten. Dieses Schloss war eine der elegantesten Residenzen im Europa des 18. Jahrhunderts. Der Landtagsbeschluss bedeutet: die originalgetreue Wiedererrichtung aller Fassaden, ihrer Gliederung analog der historischen Form auf den alten Fußlinien einschließlich der genauen Rekonstruktion aller Dächer und damit auch die Beibehaltung der fein ausgewogenen Proportionen des Gesamtbauwerkes.

Stattdessen entstehen nun um sieben Meter verbreiterte Seitenflügel, ein um 15 Meter verbreiterter Hauptflügel, ein um ein Drittel vergrößertes Volumen, ein entsprechend deutlich verkleinerter Innenhof ohne Kutschdurchfahrten, eine andere Geschossigkeit, ein anderes Dach und eine hässliche Tiefgaragenzufahrt, die zudem noch gegen den Bebauungsplan verstößt. Das Ganze wird mit dem Dekor einer vereinheitlichend gerasterten, dem Diktat der Exeltabelle unterworfenen und damit seelenlosen Fassade versehen, anstelle des gerade durch die geringfügigen Unregelmäßigkeiten rhythmisch-lebendigen Vorbildes.

Gestützt auf Ignoranz auf politischer Ebene wird dieses Werk umgesetzt durch einen Architekten und eine Baufirma, die in einem intransparenten Architekten-Investoren-Wettbewerb im Rahmen eines mehr als fragwürdigen Public-Private-Partnership-Verfahrens ausgewählt worden und für die gegebene Aufgabe nach Überzeugung vieler Experten denkbar ungeeignet sind.

Jetzt bleibt das Fortunaportal der einzige Bauteil, der das Prädikat einer originalgetreuen, handwerklichen Rekonstruktion verdient.

Die Bürgerinitiativen mit ihrem versammelten Sachverstand, die sich immer wieder diskret zu Wort gemeldet haben, sind mit ihren Vorschlägen regelmäßig in schäbiger Weise abgefertigt worden. Nicht einmal die Option einer zukünftigen Rekonstruktion von wenigen Innenräumen wurde offen gehalten.

Im Rahmen des vorbildlichen Leitbautenkonzepts der Stadt Potsdam hätte der Landtagsneubau in Form und Qualität der Leitbau der Leitbauten werden können und werden müssen. Leider wird er es nicht.

Reinhard Ludwig, Potsdam

„Zum Heulen schön!“

Als ich das erste Mal nach Potsdam kam, war da nur ein Parkplatz. Ich weiß es noch genau. Es war im Mai 1986. Ich hatte keine Ahnung von Potsdams Geschichte, wusste, dass es da mal Friedrich den Großen gegeben hatte. Und besuchte Sanssouci. Eine sowjetische Reisegruppe wurde bevorzugt behandelt beim Einlass. Ich musste mich gedulden. Alles sah sehr schäbig aus, wenn man es mit Westaugen betrachtete. Dennoch interessant. Und dann der Platz vor der Nikolaikirche. Ein Parkplatz. Grau und windig. Betonflächen, auf denen irgendwelche stinkenden Karren parkten. Wenig einladend. Gelesen hatte ich vom Stadtschloss Potsdam. Wo sich das jedoch einst befand, konnte mir im Westen niemand sagen. Als in den Siebzigern die Geschichte vom Freiherrn von der Trenck im Fernsehen lief, konnte man sehen, dass sich Friedrich auch mal in einer Art Stadtschloss aufgehalten haben musste.

Als ich auf diesem grauen Betonparklatz stand, ahnte ich nicht, dass ich direkt über den Grundmauern stand.

Jahre später stand TV-Moderator Günter Jauch an selber Stelle dieses immer noch unwirtlichen Platzes. Er sagte, dass hier etwas wieder errichtet wird, was immer hierhin gehörte. Hier war es also gewesen: Das Schloss. Unvorstellbar, dass dieser blöde Parkplatz nicht von Beginn aller Zeiten an, ein blöder Parkplatz war. Flugs entstand das Fortunaportal, das an Schönheit kaum zu überbieten ist. Atemlos verfolgte ich die Ausgrabungen, als man die Aborte der Wachposten des Königs aushub und unglaublich spannende Dinge fand: jahrhundertelang verschwundene Pfeifenköpfe, Geschirr und andere Dinge, die Soldaten einst entsorgt hatten. Ich konnte es nicht fassen.

Ebenso verstand ich nicht, wie ein Schloss zum Fortunator passen sollte? Alte Aufnahmen mussten her, Ausstellungen mit Schlossresten wurden besucht und geforscht, was das Zeug hielt. Und dann kürzlich das Richtfest. Wenn ich mich nicht zusammen gerissen hätte, wären mir wohl die Tränen geflossen. Und eine alte Potsdamerin sagte: „Zum Heulen schön!“ Sie sprach mir aus der Seele. Vergessen all die Streitereien über das Ob und Warum und Wie des Wiederaufbaus. Naja, fast vergessen, angesichts der Protestierenden, die unentwegt in die Reden hinein riefen – was ich nicht hören wollte. Als an diesem Abend erwähnt wurde, wie viel Geschichte in diesem Gebäude geschrieben wurde, bekam so mancher eine Gänsehaut. An diesem Abend passierte wirklich mehr, als das Schließen einer Baulücke.

Silvia Friedrich, Kleinmachnow

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })