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Lesermeinung: Schloss abgelehnt

Mit großem Interesse habe ich an einem Planspiel der Friedrich-Ebert-Stiftung teilgenommen, in dem sich Schüler des Humboldt-Gymnasiums und der Gesamtschule „Peter Joseph Lenné“ als Stadtverordnete ausprobiert haben. Im Zentrum dieser Veranstaltung stand die Diskussion um den Wiederaufbau des Stadtschlosses.

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Mit großem Interesse habe ich an einem Planspiel der Friedrich-Ebert-Stiftung teilgenommen, in dem sich Schüler des Humboldt-Gymnasiums und der Gesamtschule „Peter Joseph Lenné“ als Stadtverordnete ausprobiert haben. Im Zentrum dieser Veranstaltung stand die Diskussion um den Wiederaufbau des Stadtschlosses. Anfragen und Anträge der verschiedenen Fraktionen und die Statements der Fraktionsvertreter waren mit deutlicher Mehrheit gegen diese Planung gerichtet. Bezeichnend war das Agieren von Oberbürgermeister Jakobs, der in der Diskussion wortreich für das Stadtschloss warb. Dabei war ihm jedes Argument recht, auch wenn es nicht mit der Realität übereinstimmt. So behauptet Herr Jakobs erstens, das die Mitte der EU-Brachflächenprogramms ausschließlich für den Alten Markt verwendbar seien. Fakt ist jedoch, dass dieses Programm, wahrscheinlich mit großer Mühe, für diesen Einsatz passfähig gemacht worden ist. Brachflächen gibt es noch genug in der Stadt, so dass eine andere Verwendung nicht nur wünschenswert sondern sehr wohl auch möglich wäre. In diesem Zusammenhang ist auch noch einmal darauf hin zu weisen, dass es sich auch bei den EU - Mitteln nicht um imaginäre Geschenke sondern um öffentlichen Mitteln handelt, die sich letztlich aus den Steuergeldern speisen. Zweitens stellte der Oberbürgermeister fest, dass deutlich mehr Mittel in die Neubaugebiete als in die historische Mitte fließen würden. Auch das trifft nicht zu. Allein für das Sanierungsgebiet Stadterweiterung Süd enthält der laufende Haushaltsplan 8,6 Millionen Euro. Dazu gehört die Gestaltung des Alten Marktes, die Baufreimachung für das Schloss mit 4,9 Millionen Euro und die Umverlegung Knotenpunkt Friedrich-Ebert-Straße mit 600 000 Euro. Hinzu kommen etwa 1,5 Millionen Euro für Stadtkanal und Stadtmauer, 1,6 Millionen Euro für das Sanierungsgebiet Holländisches Viertel, 1,9 Millionen Euro für das Sanierungsgebiet Stadterweiterung Nord. Diesen mehr als 10 Millionen stehen nach Kürzung um 2,1 Millionen Euro nur noch etwa 5,4 Millionen Euro für die städtebauliche Sanierung und Entwicklung der Neubaugebiete gegenüber. Drittens behauptete der Oberbürgermeister, dass die Stadtverordnetenversammlung die Verwaltung mit der Wiederherstellung der historischen Mitte beauftragt habe und bedrängt die Schüler, die zur PDS-Fraktion gehörten, mit der Information, auch die PDS habe dem zugestimmt. Sicher meinte Herr Jakobs damit den Beschluss zur behutsamen Wiederannäherung an das historische Stadtbild aus dem Jahre 1990. Da kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die PDS diesen Beschluss, über dessen Auslegung sich trefflich streiten lässt, nicht mitgetragen hat. Herr Jakobs war übrigens zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in Potsdam. Die Schüler ließen sich jedoch von der Wortgewalt des Oberbürgermeisters nicht beeindrucken. Der CDU-Antrag zum sofortigen Wiederaufbau des Stadtschlosses wurde mit großer Mehrheit, auch mit mehr als zwei Dritteln der antragsstellenden Fraktion, abgelehnt. Lediglich sechs Stimmen, einschließlich Oberbürgermeister, waren dafür. Angenommen wurde ein Antrag der Bündnisgrünen zur Sanierung des Bibilotheksgebäudes und zum Bau eines neuen Gebäudes, statt Geld für den Aufbau des Stadtschlosses aufzubringen. Große Zustimmung fand übrigens auch der Antrag vom Bürgerbündnis, das die Überlegungen zur Erhebung von Eintrittsgeldern für den Besuch von Parks und Gärten eingestellt werden sollen. Ein vergleichbarer PDS-Antrag war einen Tag zuvor im Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung von SPD, CDU, Bündnisgrünen und Bürgerbündnis abgelehnt worden. Ich war beeindruckt von dem engagierten Auftreten der Schüler, die sich ihrer Sache sicher waren und ihre Entscheidung nicht an Fraktionszwängen, sondern an Inhalten festgemacht haben. Ihnen ist es damit besser gelungen als den echten Stadtverordneten von SPD, CDU und Bündnisgrünen, die Problemlage in der Landeshauptstadt widerzuspiegeln und die Interessen der Potsdamerinnen und Potsdamer wirksam zu vertreten. Dr. Hans-Jürgen Scharfenberg, PDS-Fraktionsvorsitzender der Stadtverordnetenversammlung Potsdam

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