LeserGLOSSE: Schwarzes Loch
LeserGLOSSE Man könnte meinen, in Golm, „In der Heide“, existiere eine tiefe, schwarze Senke, in der vieles einfach so verschwindet. Ein Weg, viele Bäume, Erinnerungen, die Wahrheit.
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LeserGLOSSE Man könnte meinen, in Golm, „In der Heide“, existiere eine tiefe, schwarze Senke, in der vieles einfach so verschwindet. Ein Weg, viele Bäume, Erinnerungen, die Wahrheit. Astrophysiker beschreiben so etwas oft, fasziniert von ihren Untersuchungen des Universums. Nach ihren Schilderungen besitzen Schwarze Löcher eine schier unvorstellbare Anziehungskraft. Alles, was ihnen zu nahe kommt, ist unwiederbringlich darin verloren. Manchmal im Traum erscheinen sie mir noch einmal, die Bilder aus der Kindheit: Der dunkle, hohe Wald zwischen Ehrenpfortenberg und „In der Heide“, das einsame Haus darin, aus dem täglich eine Hundemeute quoll. Die Wege und unsere Pfade durch den Wald und die Heide, zum Herzberg, zum Düsteren Teich, in die Golmer Feldmark hinein. Es gab heute selten gewordene Pilze und köstliche Walderdbeeren. Jeder Platz, fast jeder ältere Baum ist mit Erinnerungen belegt. Das schwarze Loch muss vor etwa 30 Jahren ganz klein angefangen haben. Es verschwanden zunächst nur unbedeutende, kleinere Bäume, die Pilze und die Beeren. Erst die große Zeitenwende beschleunigte alles überdeutlich. Die sich rasch verändernde Realität dort geriet in immer stärkeren Kontrast mit den eigenen Kindheitserinnerungen im Kopf. Bei geschlossenen Augen konnte man sich unvermittelt in „Die unendliche Geschichte“ versetzt fühlen: Die Leere und das Nichts breiten sich mit rasanter Geschwindigkeit aus. Nach dem Gros der Bäume soll inzwischen auch der wichtigste Weg durch die Heide verschwunden sein. Angeblich war er eigentlich nie da, soll erst 1995 angelegt worden sein. Grundsätzlich soll man Stadtplänen nicht mehr glauben dürfen. So muss das wohl ein Trugbild der Erinnerung sein, der fröhliche Fußmarsch mit den Verwandten über genau diesen Weg zur Einschulung in Golm im September 1990. Wie man sich doch täuschen kann Aber wenn etwas Schwarz auf Weiß gedruckt vor einem liegt, muss es wohl richtig sein. Trotzdem erschienen mir jetzt mehrfach Traumbilder, die dramatisch aufzeigten, wie die Wahrheit Hilfe schreiend in der unheimlichen, schwarzen Senke verschwindet. Ich glaube, ich bleibe dem schwarzen Loch in der Golmer Heide in Zukunft lieber fern. Es irritiert mich zu sehr. Bernd-R. Paulke / Eiche
Bernd-R. Paulke, Eiche
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