Lesermeinung: Sozialstaat retten!

„Ein Mindestlohn vernichtet Stellen“,

16.4. 2007

Mit seiner Forderung, Mindestlöhne ins Bodenlose absinken zu lassen, gehört Professor Franz zur großen Riege der politisch und sozial verantwortungslosen neoliberalen Ökonomen, die weniger vom Schicksal Begünstigten etwas zumuten, was sie selbst keine zwei Monate durchhalten könnten. Nach zehn Jahren Deutschlands längster und höchste Arbeitslosigkeit, nach Stagnation der Realeinkommen, nach Massenentlassungen, gesteht Herr Franz damit ein, dass der Neoliberalismus und die schrankenlose Globalisierung gescheitert sind. Auch der momentane Konjunkturaufschwung wird daran dauerhaft nichts ändern. Zu lange haben sich unsere Politiker mit diesen „Heilsbotschaften“ hinhalten lassen und die ein halbes Jahrhundert erfolgreiche Soziale Marktwirtschaft gegen eine immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich und gegen eine fehlende Massenkaufkraft eingetauscht.

Sie sollten endlich begreifen, dass die Wirtschaft von sich aus keine sozialen Rücksichten nimmt und diese Aufgabe beim Staat verbleibt – es sei denn, man will amerikanische Verhältnisse und den Rückschritt ins 19. Jahrhundert. Warum sieht man zu, wie ganze Industriebranchen in Billiglohnländer verschwinden und wehrt sich nicht mit hohen EU-Außenzöllen? Warum werden Unternehmen, die wirtschaftlich gesunde Firmen aufkaufen, nicht mit einer mehrjährigen Sperre gegen Massenentlassungen, Lohnkürzungen und Outsourcing belegt? Wann endlich kommen Mindestlöhne, von denen wenigstens ein bis zwei Personen menschenwürdig leben können? Warum lässt man Betriebe,die nicht nach ihren Möglichkeiten Lehrlinge ausbilden und keine älteren Arbeitnehmer einstellen steuerlich ungeschoren? Wenn wir nicht wollen, dass unser Land von einer Wirtschafts-Oligarchie gesteuert wird, müssen unsere Politiker im Verbund mit anderen betroffenen EU-Staaten alles tun, um das europäische Sozialstaatsmodell zu retten.

Hans-Dieter Zinnäcker, Werder/Havel