Lesermeinung: Stadt bevorzugt Profiverein und streicht bei gemeinnützigen Projekten
Zu: „Rathaus-Bündnis winkt Haushalt durch. Kein Geld für Bolzplatz, Archiv und Mädchen-Projekt“, 7.
Stand:
Zu: „Rathaus-Bündnis winkt Haushalt durch. Kein Geld für Bolzplatz, Archiv und Mädchen-Projekt“, 7.4. 2011
Im Projekt „Mädchenzukunft“ des Mädchentreffs Zimtzicken konnten durch eine Mitarbeiterin mit Migrationshintergrund Vertrauen auf- und Schwellenängste abgebaut werden. Das Erreichte wird mit dieser Entscheidung infrage gestellt. Pädagogisches Arbeiten ist in der Hauptsache Beziehungsarbeit. Bei den Mädchen und ihren Eltern bleibt die Erfahrung eines erneuten Beziehungsabbruchs zurück. Diese Erfahrung machen junge Menschen viel zu oft. Es ist eine politische Entscheidung im Sinne der Kinder und Jugendlichen, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die die Kontinuität sozialer Arbeit absichert. Es irritiert mich, sowohl als Mitarbeiter in einer Jugendeinrichtung als auch Fußballfan, wenn ich von der gleichzeitigen Bereitstellung weiterer 250 000 Euro für das Flutlicht im „Karli“ lese. An anderer Stelle fehlt Geld für Bolzplätze oder soziale und kulturelle Projekte. Mit diesen Geldern wäre es möglich gewesen, jungen Migrantinnen eine „Mädchenzukunft“ zu geben.
U. Rühling, Leiter des Jugendhauses „El Centro“ im Zentrum Ost
Rasenheizung trotz finanzieller Engpässe
Seit über einem halben Jahr ist das Flutlicht im Karl- Liebknecht-Stadion defekt. Ein halbes Jahr, in dem sich unser Verein Gedanken hätte machen können, wie eine Reparatur zu finanzieren ist. Zum Beispiel aus dem Konjunkturpaket. Das wurde nicht in Erwägung gezogen. Dafür scheint die Rasenheizung noch nicht vom Tisch zu sein. Es ist eine Frechheit, dass der Geschäftsführer immer auf die finanziellen Engpässe des Vereins hinweist. Wenn wir so knapp bei Kasse sind, wer soll den Betrieb der Rasenheizung bezahlen? Im letzten Winter verzichteten selbst finanzkräftigere Vereine auf das Einschalten selbiger, bei wesentlich höheren Zuschauerzahlen. Unser Vorstand hat es geschafft, die Reparaturkosten von 250 000 Euro von der Stadt zu erbetteln. Das Geld wird bei anderen Projekten gekürzt. So wurden die schon beschlossenen Finanzierungen für Archiv e.V., den Rasenplatz am Babelsberger Park für Fußballbreitensport und für die Zimtzicken gestoppt. Wieso bevorzugt die Stadt einen Profiverein und streicht bei gemeinnützigen Projekten?
Reinhald Roter im Namen der Initiative engagierter Nulldreifans
Wie passen Integrationspreis und Streichung der Mittel zusammen?
Auch wenn ich als Mutter zweier mittlerweile erwachsener Kinder keinen direkten Bezug zur Einrichtung habe, beobachte ich doch voller Sympathie das Wirken des fleißigen Vereins Zimtzicken mit seinen lobenswerten Zielen. Umso weniger Verständnis habe ich dafür, dass die Stadt erst mit der einen Hand den Integrationspreis vergibt und danach mit der anderen die Existenzmittel wieder nimmt. Um sich danach offenbar beide Hände in Unschuld zu waschen. Wer 30 Millionen so zufällig findet, acht Millionen in ein Stadion verbaut, gekrönt vom Sahnehäubchen der 250 000 Euro für die Flutlichtanlage – wie kann der reinen Gewissens eine so wichtige Komponente der innerstädtischen Arbeit und Zusammenarbeit einfach eingehen lassen? Wie können junge Mädchen, die für sich und andere etwas Schönes aufbauen, so einfach fallengelassen werden? Wir Potsdamer sollten das nicht hinnehmen! Ein durchaus ernstgemeinter Vorschlag: Betriebe, Anwaltskanzleien und Arztpraxen könnten einen finanziellen Beitrag leisten und damit unsere Stadtoberen blamieren. Nicht zuletzt würden wir damit den Rechten den Wind aus den Segeln nehmen, die fordern, „keine Gelder für Ausländer“ bereitzustellen.
Kerstin Walter, Potsdam
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: