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Lesermeinung: Stadtschloss mit Original-Fassade wieder auferstehen lassen

Fragen eines älteren Mitbürgers zum WiederaufbauEs ist erfreulich, wie das Interesse für den Wiederaufbau des Stadtschlosses gewachsen ist. Verständlich, dass die Meinungen über das „Wie“ auseinander gehen.

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Fragen eines älteren Mitbürgers zum Wiederaufbau

Es ist erfreulich, wie das Interesse für den Wiederaufbau des Stadtschlosses gewachsen ist. Verständlich, dass die Meinungen über das „Wie“ auseinander gehen. Aber nicht, dass immer wieder der Aufbau der Fassade zum Lustgarten durch eine billigere, moderne Variante diskutiert wird. Für mich , als älterer Bürger, der das Schloss noch unversehrt erlebte, ist das unverständlich.

Deshalb möchte ich einige Fragen stellen. Gäbe es ähnliche Überlegungen, wenn Sanssouci wieder aufgebaut werden müsste? Würde man dann, die zur Straße gewandte Nordfront Original getreu aufbauen, aber die zum Park gewandte Südfront – weil es billiger ist – durch eine moderne Fassade ersetzen? Oder wie sollen wir es mit dem Neuen Palais halten? Soll die Fassade zum Park durch eine billigere ersetzt werden? Dann würden die Besucher auf dem Weg von der großen Fontaine zum Palais eine moderne, nicht allzu teure Fassade sehen.

Die Lustgartenseite des Stadtschlosses war immer die Visitenkarte der Stadt. Die Besucher kamen vom Bahnhof und gingen über die Lange Brücke, die auf beiden Seiten wie zum Empfang der Figuren geschmückt war. Vor ihnen lag das Schloss. Dort begann Potsdam, dort begann die schöne alte Barockstadt, das „historische Potsdam“. Der Besucherstrom teilte sich. Vorher warf man natürlich noch einen Blick auf die Bittschriftenlinde. Dann gingen die einen in Richtung Alter Markt, die anderen an der Garnisonkirche vorbei nach Sanssouci. Heute ist und wird die Brücke breiter, aber sie führt auch heute über die beiden Havelarme in das Herz der Stadt, heute noch ein zerrissenes Herz.

Wenn der Wunsch nach einer modernen Fassade so groß ist, sollte man umdenken, ehe es zu spät ist und den Bau an anderer Stelle aufrichten, weit weg von der barocken Innenstadt? Dann könnte man es bei der grünen Wiese belassen mit einem Beet Vergissmeinnicht, das an Vergangenes erinnert. Und daneben einen Gedenkstein, der davon erzählt, dass hier einmal ein bedeutendes Bauwerk stand, das zwei Männer, denen die Geschichte den seltenen Beinamen „Der Große“ gab, die wichtigsten Bauherren waren.

Sind es wirklich die Finanzen, die eine Wiederherstellung der historischen Fassade so fragwürdig erscheinen lassen? Die alten Zeichnungen sind vorhanden, alles ist vermessen. Damit entfallen für diesen Teil die Kosten eines internationalen Wettbewerbs und auch das Risiko: Denn, was weiß ein Architekt aus Hongkong oder einer anderen fernen Gegend von Potsdam? Es geht ja immerhin um das Herz der Stadt. Ich glaube, dass es genug Potsdamer gibt, die spenden würden. Wir haben uns angewöhnt, alles vom Staat zu erwarten. Wir wissen, dass es in anderen Ländern und früher auch in Deutschland zum Stolz des Bürgers gehörte, eine offene Hand zu haben, wenn es um Belange der Stadt ging. Wenn jeder berufstätige Bürger monatlich zwei Euro spenden würde, käme bereits in einigen Jahren eine gute Summe zusammen. Ich bin davon überzeugt, dass die Potsdamer das können, was die Dresdner konnten. Es ist zwar kein Gotteshaus: das wäre gewiss leichter. Die Zerstörung war ein Werk des Hasses. Der Wiederaufbau möge ein Zeichen der Versöhnung mit der eigenen Geschichte sein.

Wilhelm Stintzing, Potsdam

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