Lesermeinung: Von Schülers Gnaden
„Lehrer geben sich selbst lauter Einsen“17.6.
Stand:
„Lehrer geben sich selbst lauter Einsen“
17.6. 2009
Es hat schon etwas pervers Spannerhaftes, wenn laut BGH-Urteil Kinder im Netz ihre Lehrer beurteilen dürfen. Weil Denunzianten anonym bleiben, während Delinquenten mit Name, Schule und Fach öffentlich vorgeführt werden dürfen. Dass Unterricht auch mal zeigen muss, wo’s lang geht, das scheint noch nicht durchgedrungen zu sein. Die „Würde des Schülers ist unantastbar“. Steht doch schon in Artikel 1 des Grundgesetzes. Und die Würde des Lehrers? Ach, die sollen sich bloß nicht so haben! Dass Kinder mal ihr Mütchen kühlen wollen. Sich für schlechte Noten rächen. Na und? Die freie Meinungsäußerung ist doch schließlich ein hohes Gut. Jedenfalls die der Schüler. Die der Lehrer auch? Was wäre denn wohl, wenn diese sich erdreisten würden, die Eigenschaften ihrer Schüler im Internet anzuprangern? Einen Aufschrei der Empörung gäbe es. Will jetzt noch jemand Lehrer werden? Von Schülers Gnaden? Nur keinen Schüler „verärgern“? Also Gefälligkeitszeugnisse? Wohl kaum! Die weitere Entwicklung der Pisa-Ergebnisse scheint absehbar. Wie geht es weiter? Die nächsten werden die Ärzte sein? Mit dem Zwang zu Gefälligkeitsattesten? Und dann vielleicht die Richter? Oh Zeiten, oh (Un-)Sitten! Es sei denn – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt –, das Bundesverfassungsgericht kassiert diese Entscheidung mit einem Federstrich. Nur nebenbei: Der Unterzeichner ist weder Lehrer, noch Arzt, noch Richter.
Dr. E.M. v. Livonius, Rechtsanwalt, Geltow
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