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Lesermeinung: War das schon Kultur?

Historisches Ambiente. Orangerie Ostflügel – zwar Baustelle – aber historisch.

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Historisches Ambiente. Orangerie Ostflügel – zwar Baustelle – aber historisch. Lauer Frühlingsabend, gedämpfte Fassadenillumination, gute Voraussetzungen für den Bewerbungsstaatsakt zur Kulturhauptstadt 2010. 500 Gäste waren eingeladen und auch da: der Ministerpräsident, der Landtagspräsident, mehrere Minister und viel Prominenz aus Potsdam und Umgebung. Und natürlich die Bürger, die braucht man ja bei diesem Spektakulum. Ob ich als Rand-Potsdamer auch als Botschafter für Potsdam tauge und mich in die ausgelegte Liste eintrage? Gern, ich arbeite ja hier. Potsdam hat ja Potenziale, so steht es im KulturhauptstadtPotsdam2010-Prospekt. Dann formierten sich die Akteure im Parkett: Übergabe der Bewerbungsschrift zur Kulturhauptstadt Europas an die Kulturministerin Johanna Wanka, fast wie ein Staatsakt mit positiver Wirkung nach allen Seiten, sollte man denken. Ulla Kock am Brink – auch eine Botschafterin – moderiert: Mikrofon an, Lautsprecher: dröhn dröhn, hall hall – Akustik? „Regelt doch mal den Ton herunter – Bin ich jetzt zu verstehen?" – kaum. Dann die anderen Akteure: Oberbürgermeister Jann Jakobs – unverständlich, Ministerpräsident Platzeck unverständlich, Projektleiter van Dülmen (Es redet uns keiner rein!PNN), Frau Ministerin Wer kann was verstehen? – Kopfschütteln, weitergehen. Nun kommt die visuelle Präsentation zum Inhalt der Bewerbung: Potsdamer Olympiakandidaten rollen Bilder und Texte in der Mitte des Saales aus (roll out, aha). Sichtentfernung für die Besucher, sämtlich auf der Empore postiert: Weit, sehr weit – auf jeden Fall unleserlich. Ein Nachbar sagte: „Das hätte man doch auf die großen Wände projizieren können". Na ja, hätte man gilt auch für die Akustik. Soundcheck, macht übrigens jede professionelle Musikgruppe, aber vorher. Ergebnis: die vielen Gäste auf der Empore verstanden fast nichts und sahen nur wenig. Dann war Schluss – Smalltalk auf der Empore mit denen, die sich sowieso kannten, eine Hochglanzbroschüre für jeden, der sie wollte: Das wird wohl die Bewerbungsschrift sein. Mitnehmen, später lesen und weg. Nachgedacht: Kultur soll auch etwas mit Qualität zu tun habenUnd eine Bewerbung? Soll doch wohl sorgfältig sein, soll positiven Eindruck machen. Dafür steht hier die ausgesuchte Agentur, die diesen Event – den großen Bewerbungsakt – ausgerichtet hat. Zeitungen werden nun positiv über das Ereignis in der Orangerie berichten. Man will ja, dass für Potsdam daraus Wirkung nach draußen erzielt wird. Aber: der neutrale Beobachter, der Rand-Potsdamer, der Europäer, den man auch jetzt schon ansprechen, für Potsdam sensibilisieren will, der wandte sich ab, natürlich noch höflich. Auf der Heimfahrt fragt er sich: war das Kultur? – Nein, es war allgegenwärtige Beliebigkeit. Beliebig und austauschbar, das gilt auch für Teile der Hochglanzbroschüre. Ein Trost bleibt: es kann nur besser werden, mit der Sommeredition vielleicht, die im Juni erscheinen soll. Als Empfehlung an die „Macher“: Wenn Potsdam gewinnen will, dann muss das unbedingt auch besser werden.Dr. Fuschtel, beobachtet und weitererzählt von Karl-Heinz Haufe, per E-Mail

Dr. Fuschtel

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