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Lesermeinung: Wer darf mitreden?

Zu: „Wer Bürger ist“, 14.11.

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Zu: „Wer Bürger ist“, 14.11.

Der Autor kritisierte, dass sich in der Diskussion nur Mitglieder der Fraktion Die Andere und der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär nicht an das Gebot der Zurückhaltung gehalten hätten. Das kann nicht unwidersprochen bleiben. Zum einen, weil auch Vertreter von BürgerBündnis, Bündnis 90/Grüne und SPD kräftig mitdiskutierten, aber mehr noch, weil die Kritik auf einer diskussionswürdigen Vorstellung vom Potsdamer Bürgerhaushalt und Demokratie schlechthin basiert.

Die Vorstellung, die Stadtverwaltung und der Oberbürgermeister würden den eigenen Haushaltsentwurf überparteilich einer überparteilichen Öffentlichkeit vorstellen, die dann neutral die für die Allgemeinheit besten Entscheidungen treffen könne, ist naiv. Schließlich ist der Haushaltsentwurf bereits das Ergebnis eines politischen Abwägungsprozesses. In den letzten Jahren wurde der Potsdamer Haushalt meist zwischen den bürgerlichen Stadtfraktionen abgestimmt. Wenn die Verwaltung dennoch mit ihrem Haushaltsentwurf die Diskussionsgrundlage für den Bürgerhaushalt vorgeben darf, ist es unverzichtbar, dass Stadtverordnete zu Wort kommen. Schließlich sind sie es, die prüfen, ob die Diskussionsgrundlage überhaupt stimmig und plausibel ist.

Es gibt keine neutrale Sachentscheidung in politischen Diskussionen und es gibt keine unpolitische Sachinformation. Ein Bürgerhaushalt funktioniert nicht unter Ausschluss der verschiedenen Interessengruppen, sondern im offenen Streit der Meinungen. Demokratie schließt niemanden von der Diskussion aus, sondern legt die Spielregeln für diesen Meinungsstreit fest. Wichtig ist, dass klar erkennbar ist, wer welche Interessen vertritt. Wer den Bürgerhaushalt will, muss alle Argumente auf den Tisch packen und darüber diskutieren lassen. Dazu gehören gut informierte Interessenvertreter. Nur so werden die Bürgerversammlungen kontrovers, spannend und demokratisch und nur so erhalten interessierte Bürger eine faire Chance über ihren Haushalt umfassend informiert zu sein und mündig zu entscheiden.

Lutz Boede, Potsdam

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