Lesermeinung: Wie eine Schülerin die Demonstration sah
„Schüler demonstrierten unentschuldigt“, 13. DezemberDie Demonstration verlor an Wirkung, weil zahlreiche Schülerstimmen fehlten, nicht etwa, weil sie „keinen Bock“ hatten, sondern weil es ihnen verboten wurde.
Stand:
„Schüler demonstrierten unentschuldigt“, 13. Dezember
Die Demonstration verlor an Wirkung, weil zahlreiche Schülerstimmen fehlten, nicht etwa, weil sie „keinen Bock“ hatten, sondern weil es ihnen verboten wurde. Am Montag erhielten die Lehrer meines Gymnasiums die Anweisung, allen Schülern, die entschlossen waren zu demonstrieren, einen unentschuldigten Fehltag einzutragen.
Diese Anweisung ging an alle Potsdamer Schulen und kam direkt vom Schulamt. Unsere Mitstreiter auf dem evangelischen Gymnasium Hermannswerder müssen sogar mit einem Verweis rechnen. Für mich ist das nicht nur ein Verstoß gegen unsere Grundrechte – es ist feige. Feige von denen, die sich selbst nicht eingestehen, dass ihre Schulreform das beabsichtigte Ziel verfehlen wird und dass sie bei den Betroffenen auf Unzufriedenheit gestoßen sind. Sie stellen sich nicht, nein, sie versuchen sogar ihre Kritiker mit ungerechten Methoden zu unterdrücken. Polizisten mit Wasserwerfern versuchten Schüler daran zu hindern, andere Schüler aus dem Einstein-Gymnasium dazu zu bewegen, sich der Demonstration anzuschließen. Grundlos wurde nach Personalien gefragt und so der gesamte Demonstrationszug aufgehalten.
Vor was haben unsere Beamten Angst? Etwa vor 14 bis 18-jährigen, die probierten, friedlich ihren Unmut gegenüber des Bildungssystems auszudrücken – und dabei teilweise von den Polizisten provoziert wurden? Ebenfalls unverständlich ist, dass viele unserer Lehrer diese Missetaten unterstützen, indem sie der Anweisung des Schulamtes folgten. Ein Zusammenstehen von Lehrern und Schülern hätte sicher viel mehr Erfolg gehabt. Wäre jeder Lehrer so engagiert, verständnisvoll und seinen Schülern gegenüber ehrlich und aufrichtig, wie diejenige, die mich und meine Mitschülerinnen nach ihrer Unterrichtstunde ironisch darauf hinwies, dass wir krank aussähen und uns lieber auf den Heimweg machen sollten, da von Eltern unterschriebene Entschuldigungen aufgrund der Teilnahme an einer Demonstration nicht als gültig angesehen werden durften, hätten wir mit der dreifachen Teilnehmerzahl rechnen können. Ich frage mich, wie demokratisch und gerecht diese Gesellschaft wirklich ist, wenn der „Staat“ solch einen Einfluss auf seine Beamten hat. Diese allgemeine Unzufriedenheit, diese Demonstration und dieses Schreiben hätte es nicht gegeben, hätten von Anfang an Betroffene und Verantwortliche zusammen gearbeitet.
Diese allgemeine Unzufriedenheit, diese Demonstration und dieses Schreiben wären nicht nötig gewesen, würden sich Politiker einsichtig und nicht blind gegenüber der Situation zeigen. Diese allgemeine Unzufriedenheit, diese Demonstration und dieses Schreiben wären nicht nötig gewesen, wenn unser Land nur halb so meinungsfrei und demokratisch wäre, wie es vorgibt zu sein. Nichts dergleichen wird das Sehvermögen der blinden Politiker stärken und die Verabschiedung der 16. Schulreform in Brandenburg verhindern. Veränderungen sollten von unten kommen, nicht von oben.
Vera Krellmann, Potsdam
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