Lesermeinung: Wie in Potsdam demokratische Parteigründungen nach 1945 vereitelt wurden
“Jesus war der erste Kommunist“20.10.
Stand:
“Jesus war der erste Kommunist“
20.10. 2007
Wilhelm Wolf war nicht nur Mitbegründer der CDU in Potsdam. Die Idee eine Partei zu gründen kam vom Ehepaar Wolf. In einer Zeit da alles in Trümmern lag, hörten sie, dass im Juni 1945 in Berlin eine neue bürgerliche Partei (CDU) zugelassen worden war. Sie waren neugierig, was das wohl für eine Partei war. Doch wie nach Berlin kommen. Eine Bahnverbindung gab es nicht, alle Brücken waren zerstört. Einzige Möglichkeit, das Fahrrad. Nun fahren sie mal mit dem Rad, wenn alle naselang ein Russe ihr Rad haben will. Die Wolfs haben es nach Berlin und zurück nach Potsdam geschafft. Voller Begeisterung kamen sie zurück und gingen sofort an die Arbeit. Gleichgesinnte zu finden war schwer ohne Post und Telefon, wenn man jedoch etwas will geht es auch ohne diese Hilfsmittel. Im Oktober 1945 wurde in Potsdam die CDU zugelassen. Die Mitglieder waren Bürger, die eine stabile Demokratie aufbauen wollten. Gegen diese Demokratie waren die Kommunisten. Sie wollten einen Staat nach bolschewistischem Vorbild. Andersdenken wurde mit Verleumdung, Verhaftung und sogar Tod gedroht. Erstes Opfer wurde Andreas Hermes, erster Vorsitzender der CDU. Er wurde abgesetzt, weil er gegen die Art der Durchführung der Bodenreform war.
Zurück nach Potsdam: Hier lehnte man eine Vereinnahmung der CDU durch die nationale Front ab. Erstes Opfer Wilhelm Wolf. Auf dem Rückweg nach Potsdam wurde ein Autounfall auf der AVUS provoziert, den Doktor Wolf nicht überlebt hat. Es war ein furchtbarer Schock für die Potsdamer CDU. Nur, man ließ sich nicht einschüchtern. Es folgten weitere Verhaftungen und Verurteilungen für viele an den Haaren herbeigezogene Gründe. Es half nichts. Jetzt bat man die Besatzungsmacht um Hilfe. Im Februar/März 1950 wurde eine große Verhaftungswelle gestartet. Dabei wurden mehrere CDU Politiker umgebracht. Verfassungsrechtler Franz Schleusener starb im Polizeigefängnis Potsdam an den Folgen der Folter. Musikdirektor Ludwig Baues wurde im KGB Gefängnis Lindenstraße zu Tode gefoltert. Im November/Dezember 1950 fand vor dem Sowjetischen Militärtribunal in der Lindenstraße der Prozess gegen Else Dau, Erich Ebert, Ruth Krahnefeld und meine Eltern, Charlotte und Erwin Köhler statt. Die ersten drei Angeklagten wurden zu hohen Zuchthausstrafen und meine Eltern zum Tode verurteilt. Meine Eltern wurden im Botyrka Gefängnis in Moskau erschossen. Mein Vater im Februar 1951 und meine Mutter im April 1951. So endete der erste Versuch, nach 1945 in Potsdam eine Demokratie aufzubauen. Heute sind wir wieder ein freies, demokratisches Deutschland. Hüten und pflegen wir die immer noch zarte Pflanze der Demokratie, damit sie kraftvoll und stark wird.
Jürgen Köhler, Meppen Sohn von Erwin und Charlotte Köhler, des Potsdamer CDU–Bürgermeisterehepaars, das im Februar 1951 in Moskau hingerichtet wurde, Anm. d. Red.]
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