Lesermeinung: Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche: „Den beladenen Ort umtaufen!“
Botschaft: Von Potsdam gehe Frieden aus!Ein Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam geschieht an der Schnittstelle von Vergangenheit und Zukunft.
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Botschaft: Von Potsdam gehe Frieden aus!
Ein Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam geschieht an der Schnittstelle von Vergangenheit und Zukunft. Er ist nur möglich mit der Zustimmung und Unterstützung der Potsdamer Bevölkerung: Für sie und für die kommenden Generationen wird dieses geschichtsträchtige Gebäude wieder erbaut. Die Garnisonkirche ist seit ihrer ersten Erbauung geschichtlich aufgeladen, beladen vielmehr, und dieser Umstand erfordert einen höchst sensiblen Umgang mit dem Wiederaufbau, bezogen auf die Gestaltung sowie die inhaltliche Nutzung des neuen Gebäudes. Viele Potsdamer haben Zweifel: Warum gerade dieser Geschichte ein Denkmal setzen? Eine sensible Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist an diesem Ort zwingend.
Bedingung aber für den Wiederaufbau muss es sein, diesen beladenen Ort neu zu besetzen, positiv „umzutaufen“ – als Symbol für den Frieden. Der größte Raum im Konzept für eine wieder aufgebaute Garnisonkirche muss daher der Gegenwart und der Zukunft zukommen. Eine neue Garnisonkirche erhält nur einen Sinn, wenn sie weit über ihre Geschichte hinauswächst und ein Ort für die Fragen und Themen der Gegenwart wird. Vor allem dies: Wie gehen wir in Zukunft mit dieser Welt um? Ein Gebäude solcher Größe und Bedeutung im Stadtraum darf nicht nur für die Vergangenen gebaut werden, sondern vor allem für die Kommenden – und für alle. Etwa die Hälfte aller Potsdamer ist unter 45 Jahre alt, also ohne die Garnisonkirche aufgewachsen. Sie lieben und leben ihre Stadt, so wie sie sie vorgefunden haben. Sie haben seit 1989 die Trümmer zweier gescheiterter Systeme mit Leben erfüllt und sind stolz auf ihr Potsdam. Welche Bedeutung soll dieses Gebäude für sie haben? Eine Notwendigkeit für eine weitere Kirche scheint im Moment nicht gegeben. Etwa 80 Prozent der Potsdamer sind ohne Religion oder auf der Suche nach neuer spiritueller Identität. Auch ihre Zustimmung ist wichtig. Dieser neue Ort muss also offen sein für alle, deutlich über seine sakrale Bestimmung hinaus. Wenn es ein Ort für die junge Generation wird, wie spricht man sie an? Es ist eine Facebook-Generation, die um die Welt reist, Freunde aus unterschiedlichsten Kulturkreisen hat, von denen ihr Deutschsein nicht mehr in Zusammenhang gebracht wird mit dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Themen müssen hier verhandelt werden: Frieden, Demokratie, Verständigung zwischen den Kulturen und Religionen, neue Gesellschaftsvisionen, der Umgang mit der Natur. Eine neue Garnisonkirche muss also ein Ort sein für alle und für die Zukunft. Dieser ganz und gar neue Ort kann den Potsdamern die Chance geben, einen Teil ihrer Geschichte neu zu schreiben, indem sie eine Kirche, die Jahrhunderte lang Kraft und Krieg symbolisierte, mit einer neuen Botschaft versehen: Von Potsdam gehe Frieden aus!
Arno Gorgels und Kerstin Raatz
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