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Lesermeinung: „Wird hier mit zweierlei Maß gemessen?“

Zu: „Drachen im Nauener Tor“, 10.6.

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Zu: „Drachen im Nauener Tor“, 10.6.

Der Beitrag über die Eröffnung des Restaurants in der linken Torhälfte des Nauener Tores lässt Fragen offen. Herr Greifenberg der Gastronom, wer war das doch gleich? Ah, der Chef vom „Maison du Chocolat“ und „Pfeffer & Salz“ ließ uns im Unklaren womit er die Gäste locken will, bis Donnerstagabend? Nein, sogar bis Samstagfrüh! Bis wir in den PNN lesen durften, was es Raffiniertes geben wird in Potsdams neuem Highlight.

Am Donnerstagabend durften einige Anwohner es akustisch bis morgens um 2 Uhr – weit über jegliche Dezibelgrößen, die unsere Stadtväter für die WM erlaubt hatten – miterleben. Wie großzügig von der Stadtverwaltung, dass sie zuvor dem Hochschulsommerfest auf dem Bassinplatz – erst von der Stadtverwaltung wegen Lärmbelästigung abgelehnt, dann doch genehmigt – ab 22 Uhr eine Dezibelgrenze zugestand, die ungefähr einer Unterhaltungslautstärke entsprach. Die Veranstaltung der Studenten musste um 24 Uhr beendet werden. Zur Restaurant-Eröffnung wurden Sternchen, Potsdamer Wichtigkeiten und Größen der Stadt- und Landespolitik geladen. Als Anwohner sich gegen Mitternacht gestört fühlten, erhielten sie beim Anruf von den Ordnungshütern eine Abfuhr. Mit der sinngemäßenBegründung, dass , wenn ein Herr Schönbohm diese Veranstaltung besuche, keine Notwendigkeit bestehe, einzugreifen. Um 1 Uhr morgens rief ich nochmal an und wurde noch unwirscher abgewiesen. Herr Schönbohm ist doch unser Innenminister. Ist das nicht der, der über die Gesetze wacht und die Bürger schützen muss, auch vor zu lauten Veranstaltungen?

Und für wen ist eigentlich das Restaurant gedacht? Etwa für die, die auch die vor kurzem über dem Klosterkeller eröffnete Bar besuchen dürfen? Dort, wo endlich mal die Sternchen unter sich sein können! Wir durften ja wenigstens an der Absperrung stehen und schauen, ob wir nicht gleich mal einen Prominenten sehen. Erstaunlich, dass die Absperrung nun weg ist und auch wir Zutritt haben. Warum nicht mal so was wie einen „Prominentenzoo“ eröffnen: Wo wir Herrn Jauch beim Frühstück, Herrn Schönbohm beim Abendessen beobachten können und die Bodyguards sitzen draußen. Die gepanzerten Limousinen stehen natürlich direkt vorm Eingang, im gut überwachten Parkverbot. Spaß beiseite, obwohl einem dabei nicht lustig zumute ist. Die Frage ist: Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Müssen wir ganz still sein, wenn Volksvertreter und Gastronomen Privatpartys feiern, die uns selbst bei geschlossenen Fenstern (wo endlich der Sommer da ist) nicht schlafen lassen – und das mitten in der Woche?

Fragen über Fragen tun sich dem Potsdamer Bürger auf bei derartigen „Entgleisungen“ und er entscheidet täglich über die Frage: Wo gehen wir heute essen? und alle vier Jahre darüber, wen wählen wir denn dieses Mal? Auch die Frage nach dem objektiven, kritischen Journalismus stellt sich täglich am Kiosk.

Thomas Leistikow, Potsdam

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