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Lesermeinung: Zeit geben

Zu „Reicher werden durch Begegnung“, 6.5.

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Zu „Reicher werden durch Begegnung“, 6.5.

Danke für den schönen Artikel über unsren Chor. Mit der Überschrift „Reicher werden durch Begegnung“ haben Sie zusammengefasst, was wir durch das gemeinsame Singen mit Asylbewerbern erleben. Einen Satz muss ich allerdings korrigieren: „Wichtig ist, dass sie (= die Kameruner) europäische Kultur kennen lernen“. Falls ich das wirklich so gesagt habe: Es klingt wie eine pädagogische Zielsetzung. Die haben wir aber gerade nicht. Wir wünschen uns Begegnungen auf gleicher Augenhöhe, Entdeckungen auf beiden Seiten.

Viel Unkultur – auch in unserem Land – haben die Flüchtlinge schon erlebt, bis hin zur Gewalttat, die in diesen Wochen im Potsdamer Amtsgericht verhandelt wird. Ihr Interesse an europäischer Kultur ist trotz allem ungebrochen. Fast alle sprechen deutsch, französisch und englisch. Aber um ein Konzert oder ein Theaterstück zu besuchen, fehlt ihnen schlicht und einfach das Geld. Die Frauen haben Stricken gelernt, drei Männer spielen in Fußballklubs. Selbst das geht nicht ohne Material- oder Fahrtkosten.

Und sicher haben sie mit einigem Erstaunen längst entdeckt, dass wir Deutschen ein noch kostbareres Gut haben als das Geld: die Zeit. Wie wenig davon haben wir übrig für die jungen Mütter, die gern das Fahrradfahren üben oder das Schwimmen erlernen oder mal mit ihren Kindern ins Grüne fahren würden. Afrikanische Kultur dagegen heißt: Zeit haben, Zeit geben, nach dem Ergehen fragen, da sein, ohne reden zu müssen, Davon zu lernen, wird mir immer wichtiger.

Christa Schröder, Leiterin des Taizé-Chores am Potsdamer Lerchensteig

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