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Lesermeinung: Zum Überfall auf Ermyas Mulugeta in Potsdam

Zu: „Rassistischer Überfall auf einen dunkelhäutigen Potsdamer“, 18.4.

Stand:

Zu: „Rassistischer Überfall auf einen dunkelhäutigen Potsdamer“, 18.4.

Ein 37-jähriger Mann, Familienvater, zwei Kinder, an seiner Promotion arbeitend, wird fast zu Tode geprügelt. Nur wenig später hörte ich in einer Potsdamer Bäckerei folgende Kommentare: Also, es sei zwar schlimm, was da mit dem Schwarzen passiert sei, aber man solle das doch nun auch nicht übertreiben. So etwas passiere halt. Demnächst werde man denen noch Denkmäler setzen. Überhaupt, man wolle jetzt in der Nähe von Potsdam eine Moschee bauen, da werde man schon sehen, was passiere. „Normale Bürger“, keine Glatzköpfe, äußerten sich so. Auch solche Bürger unserer Stadt tragen Verantwortung für Rassismus.

Thomas E. Schultze, Potsdam

Zu: „Potsdamer Zeichen“, 19.4.

Der Kommentar ist ein ehrlicher und längst fälliger Versuch, die Lage hier in der Provinz – trotz des weit verbreiteten Lokalpatriotismus – objektiv zu analysieren und zu beurteilen. Ich stimme mit dem Autor damit überein, dass Potsdam sich gerne bürgerlich und kultiviert gibt. Leider steht diese Selbsteinschätzung im Widerspruch, wenn es um die Wahrung von Grundwerten in einer modernen demokratische Zivilgesellschaft geht. Die paar hundert Potsdamer Jugendlichen „mit Sonnenbrille und Kapuze“ werden ständig mit menschenverachtenden Tendenzen konfrontiert, es war nur ihre logische Reaktion, sofort in der Öffentlichkeit aufzutreten. Aber, das als „Potsdam hat reagiert“ zu bezeichnen, ist wohl etwas übertrieben oder naiv. Denn hier hätte die Mitte der Zivilgesellschaft ohne zu zögern ihre demokratische Reife zeigen müssen: Von dem einfachen Potsdamer Bürger, pensioniertem Akademiker, Schüler und Studenten, über den in Potsdam lebenden Fernsehmoderator bis zum Ministerpräsidenten – alle müssten zur Stelle sein, dann erst hätte Potsdam wirklich reagiert. Nun stellt sich die fatalistische Frage: was soll noch geschehen, damit es endlich so weit ist?

Jaime Gárate, Potsdam

Entsetzt und wütend

Ich bin entsetzt und wütend über den rassistischen Übergriff gegen den Afrikaner, der jetzt um sein Leben ringt! Was soll noch passieren? Ich habe den Eindruck, dass die braune Brut Überhand gewinnt. Fast täglich hört und liest man von diesen schrecklichen Übergriffen. Ich fordere die ganze Härte des Gesetzes! Haben wir aus der Geschichte nichts gelernt? Ich schäme mich, eine Deutsche zu sein.

Sabine Rabinowitsch, Potsdam

Die Welt zu Gast bei Freunden?

Schockierende Gewaltverbrechen passieren leider immer wieder. Geschehen sie aus niederen Gründen, wie Hautfarbe oder Herkunft eines Menschen, ist das besonders schlimm. Weil dieses abscheuliche Verbrechen kurz vor dem Beginn der Fußballweltmeisterschaft passiert ist, wird das Interesse der Weltöffentlichkeit besonders hoch sein und Potsdam und Deutschland in ein schlechtes Licht rücken. Es ist nun die Aufgabe des Oberbürgermeisters, eine Demonstration zu organisieren, in der Potsdam erneut „Farbe bekennt“. Er und alle Parteien sollten alle öffentlichen Einrichtungen, Vereine, Unternehmen und Potsdamer Bürger dazu aufrufen, Teil einer Demonstration zu sein, wie sie die Stadt noch nicht erlebt hat. Jeder Potsdamer, der ein Fünkchen Verantwortung, Gemeinsinn und Zivilcourage besitzt sollte sich dann an dieser Demonstration beteiligen, um der Welt und den Tätern zu zeigen, dass die Welt auch in Potsdam zu Gast bei Freunden ist. Wir alle tragen Verantwortung, nicht nur gegenüber Menschen ausländischer Herkunft, sondern auch gegenüber den Tätern. Es ist Zeit, dass sich die Potsdamer zeigen, dass sie weltoffen sind und rassistische Gewalt verabscheuen und verurteilen.

Michael Sauer, Potsdam

Anmerkung der Redaktion: Nachdem uns dieser Leserbrief erreicht hatte, fand am Freitag die Kundgebung „Potsdam bekennt Farbe“ statt, zu der auch der Oberbürgermeister aufgerufen hatte.

Wie sollen wir der Welt erklären, was sich hier abspielt?

Es ist beschämend, wie Menschen anderer Hautfarbe in Deutschland angegriffen werden. Welch verzerrtes Bild der Welt existiert in der Vorstellung derer, die auf einen Unbekannten einschlagen, weil er ein Farbiger ist? Nach elf Jahren in Ländern Afrikas und Asiens, in denen wir durch unser europäisches Aussehen deutlich von der einheimischen Bevölkerung zu unterscheiden waren, ist uns nie, wirklich nie, jemand auch nur annähernd mit einer solchen Feindseligkeit begegnet. Wie soll man der Welt erklären, was sich in Deutschland abspielt?

Ute Dietmar, Potsdam

Verhaftung als Mummenschanz

Dieser Mummenschanz mit Hubschrauber und Polizisten in Kampfuniformen war lächerlich, denn die Verhaftungen hätten von lokalen Polizisten unspektakulär vorgenommen werden können. Für den Steuerzahler ist diese überflüssige und aufwändige „Aktion“ mehr als ärgerlich. Klaus Winkler, München

Überzogene Berichterstattung

So schrecklich die Misshandlung des Ermyas M. ist, jeder vernünftig denkende Mensch ist bestürzt und traurig und alle guten Wünsche gelten ihm. Aber wie bundesweit die Medien sensationsgierig darauf reagieren, ist für mich unverständlich. Wo ist die Verantwortung für seriöses journalistisches Arbeiten? Ich finde die Berichterstattung zum großen Teil überzogen, mit Vorurteilen versehen und ohne genaue Kenntnis der Situation zu haben. Es werden Behauptungen aufgestellt, die sich erst mit der Aufklärung des Falles bestätigen oder nicht bestätigen werden. Ich lese durchweg von einem rechtsradikalen „Überfall“, „Mordanschlag“. Ein Überfall ist ein plötzlicher, unerwarteter Angriff auf einen Ahnungslosen. Keiner weiß bisher genau, wie die Auseinandersetzung begann und trotzdem schreiben die Medien von einem rechtsradikalem „Überfall“ und „Mordanschlag“.

F. E. (Name der Redaktion bekannt), Potsdam

Mehr Zivilcourage zeigen!

Die Tat verurteilen wir aufs Schärfste. Wir sind gegen jede Gewalt und alles, was die Würde eines Menschen verletzt. Viele Jugendliche finden in unserer Gesellschaft nicht den Platz, den sie brauchen, weil Arbeitslosigkeit und damit Nichtstun zu Frustrationen führt. Es gibt aber viele Möglichkeiten, Energien, Ideen und Engagement so einzusetzen und umzusetzen, dass man trotz Arbeitslosigkeit ein erfülltes Leben führen kann. Eine Möglichkeit wäre, sich ehrenamtlich zu engagieren. Neulich wurde mitten auf der Brandenburger Straße, abends gegen 20 Uhr, eine Frau gewaltsam von einem Mann vom Fahrrad gestoßen und tätlich angegriffen. Passanten standen in einer Traube herum und taten nichts, obwohl die Frau laut um Hilfe schrie. Erst als eine Mitarbeiterin von SEKIZ auf sie zuging, ihr den Arm reichte und sagte: „Komm mit“ wurde der Gewaltakt beendet. Diese Ereignisse bestärken uns in unserer Haltung, mehr Zivilcourage zu zeigen.

SEKIZ e.V., Hartz IV Betroffene e.V.

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