Lesermeinung: Zur Debatte um den Landtagsneubau auf dem Alten Markt
Gebranntes KindAls vor 13 Jahren die Wettbewerbsentwürfe für die neue Wilhelmgalerie vorgestellt wurden, war die Entscheidung bei den Potsdamern kaum umstritten. Die Arbeit passte sich am besten in die vorhandene Bausubstanz ein und erweckte den Eindruck einer sensiblen Auseinandersetzung mit der Aufgabe.
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Gebranntes Kind
Als vor 13 Jahren die Wettbewerbsentwürfe für die neue Wilhelmgalerie vorgestellt wurden, war die Entscheidung bei den Potsdamern kaum umstritten. Die Arbeit passte sich am besten in die vorhandene Bausubstanz ein und erweckte den Eindruck einer sensiblen Auseinandersetzung mit der Aufgabe. Die in der Perspektive dargestellte Aufnahme der Traufhöhe des „Hauses des Handwerks“ und der obere Abschluss durch ein Steildach erfüllten die Vorgaben. Dass die gezeigte Perspektive auf einen Betrug beruhte, konnte damals kaum einer der Besucher durchschauen. Nun werden solche Entwürfe während der Bearbeitung geändert. Die Negierung der Vorgaben bei der Fassadengestaltung der Wilhelmgalerie und ihre stereotype Fensterteilung ist zu bedauern. Am gravierendsten macht sich bemerkbar, dass die umlaufende Brüstungsoberkante ein ganzes Geschoss über der in der Aufgabenstellung vorgegebenen Höhe liegt. So entstand ein Bauwerk, dessen Funktionstüchtigkeit unumstritten ist, dessen Gestalt jedoch Albert Speer zur Ehre gereichen würde. Da wirkt es wie Hohn, wenn einer der federführenden Architekten kurz nach Fertigstellung des Gebäudes im Deutschen Architekten Blatt (12/97) diese bindend vorgegebene Trauf- und Firsthöhe des Gontardbaues erwähnt und so den Eindruck erweckt, diese sei auch eingehalten worden. So ist an markanter Stelle im Stadtgefüge ein Bauwerk entstanden, dessen Gestalt jedoch Albert Speer zur Ehre gereichen würde. Was durch Überbetonung des Funktionellen und durch den visuellen Eindruck der Darmstädter Machbarkeitsstudie auch beim Landtag zu befürchten ist. Wenn dann noch die sich im Planungsprozess ergebenden Unwägbarkeiten mit den ultimativen Gebaren der Entscheidungsträger, wie wir sie in den letzten Monaten erfahren mussten, sich potenzieren, wird das die Qualität der Potsdamer Mitte sehr beeinträchtigen.
Joachim Briesemann, Potsdam
Alles andere wäre verbogene Demokratie
Dreimal ein Nein zur Wiedererrichtung des Schlosses, beziehungsweise zur Bebauung des alten Grundrisses! Eindeutiger kann eine Ablehnung politisch nicht ausfallen. Zweimal Nein der Stadtverordneten in regulären Abstimmungen und jetzt zeigt die Bürgerbefragung, dass weit mehr Potsdamer gegen eine Bebauung an dieser Stelle sind als dafür. Dies ist doch ein schönes Stück lebendiger Demokratie. Bravo Potsdam! Kann doch nur heißen, dass die Bagger wieder abziehen, es kein neu errichtetes Stadtschloss geben wird und der neue Landtag an anderer Stelle errichtet werden muss. So will es der Souverän. Alles andere wäre verbogene Demokratie!
Dietrich Zunk, Potsdam
Identifikationspunkt für hunderte Jahre
Mich hat das Ergebnis der Umfrage zum Landtagsstandort sehr glücklich gemacht. Jedoch vernahm ich auch Stimmen, die den Landtag inmitten der Stadt ablehnten. Eine erschreckende Einstellung, die den Politikern zu denken geben sollte. Woran liegt es, dass man die gewählte Regierung nicht in seiner Mitte haben will? Ist das noch ein gefühltes Relikt aus DDR-Zeiten? Wäre es nicht besser, sie sozusagen unter Aufsicht in die Mitte der Stadt zu holen? Nach dem Motto: Ihr habt Mist gebaut, kommt raus und bezieht Stellung! Und was ist mit der Jugend? Hier erschreckt mich oftmals die totale Ablehnung. Da werden alte Klischees bedient vom preußischen Militarismus, von verschleuderten Steuergeldern und die Geschichte ihrer Stadt ist ihnen total egal. Ich möchte mit ihnen ins Gespräch kommen und ihnen erklären, welchen Stellenwert dieser Platz einmal hatte. Über das, was am Alten Markt gebaut werden soll, sollte man verantwortungsbewusst nachdenken. Denn es muss ein Bauwerk werden, das für hunderte von Jahren ein Identifikationspunkt für uns Potsdamer, aber auch für alle Brandenburger sein soll.
Barbara Kuster, Potsdam
Stadthalle unter dem Hof
Die Aktionsgemeinschaft für den Aufbau der Potsdamer historischen Innenstadt (Agaphi) e. V. hatte 1990 den Ostflügel des Stadtschlosses als ersten Schritt zur Wiederannäherung an den historischen Alten Markt ins Spiel gebracht und führte dazu eine erste Bürgerbefragung durch. Doch Agaphi hatte immer das Ziel, dass dabei auch etwas für die Bürger herausspringen muss. Deshalb lieber zwei Ebenen Garage weniger und dafür eine Stadthalle unter dem Hof, natürlich streng vom Parlament getrennt.
Hans-Peter Warnecke, Agaphi
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