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Was macht die Welt?: Mäusewahn und Ministerbiographien

"Zeit"-Herausgeber Josef Joffe über das kommende Jahr, das vergangene Jahrzehnt, über Schnee und den Außenminister.

Womit werden wir uns im Neuen Jahr vor allem herumschlagen müssen?

„WmdW“ hält sich an die Devise des größten amerikanischen Baseballspielers, Yogi Berra: „Ich sage nie voraus – und schon gar nicht die Zukunft.“ Einiges lässt sich freilich doch sagen. Es wird viele Landtagswahlen in D geben. Allerlei Gebühren, die das Säckel der Kommunen füllen, werden steigen. Ob es zu kalt oder zu warm für die Jahreszeit sein wird, schuld ist in jedem Fall die Erderwärmung. Mindestens zwei Pandemien werden D erschüttern; „WmdW“ tippt auf Mäusewahn und Spatzengrippe. Wikileaks wird Dokumente veröffentlichen, wonach Gerd Schröder nicht nur einen Brioni-Anzug in seiner Amtszeit besaß, sondern deren zwei. Manche Röcke werden kürzer, andere länger werden. Die Auflage des Tagesspiegels wird wachsen.

Wie war eigentlich das vergangene Jahrzehnt?

Nicht so schlimm, wie es nach „9/11“ aussah. Überhaupt: Wo sind die großen Kriege geblieben? In den nuller Jahren gab es keinen einzigen; die Kampagnen in Afghanistan und Irak dauerten nur Wochen. Der letzte große Krieg war der achtjährige zwischen dem Irak und Iran vor einer Generation. An die Stelle der Millionenheere sind Terror und innerstaatliche Gewalt getreten. Beides ist schlimm genug, aber keine existenzielle Bedrohung. Die beiden Weltkriege mit zusammen 70 Millionen Toten sind heute nicht mehr vorstellbar. 1911 aber waren sie es sehr wohl. Die Nuller waren auch das Jahrzehnt der atomaren Abrüstung. 75 000 Atomwaffen hatten USA und UdSSR auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Jetzt ist es etwa ein Viertel.

Europa wird mit dem Schnee nicht fertig. Eine Blamage für den Kontinent?

Und die jüngsten Schneestürme in Amerika, die alle drei Flughäfen von New York lahmlegten? Die Blamage gilt für beide Seiten des Atlantiks – zumal für alle Flughafenbetreiber, die eigentlich wissen, dass zwischen November und März häufig und heftig Schnee fällt. Das ist unverzeihlich, wenn man bedenkt, dass Räumgerät im Vergleich zu einem Jumbo äußerst preiswert ist. Die beliebten Rückbauten, die in deutschen Städten den Autoverkehr vertreiben sollen, sind auch sehr viel teurer als Schneepflüge.

Ein Wort zum Außenminister …

Guido W. wird sich 2011 neu erfinden. Er wird Gewicht zulegen, um so mehr wie H.-D. Genscher auszusehen. Er wird nur noch Dreiteiler tragen, die schon Joschka Fischer Würde & Gravitas verliehen haben. Er wird Biographien der großen deutschen AA-Chefs lesen – von Gustav Stresemann und Walther Rathenau, sowie von Konrad Adenauer und Helmut Schmidt. Ja, liebe Kinder, auch von den beiden Letztgenannten. A. war von 1951 bis 1955 auch Außenminister, und H.S. war es genau zwei Wochen lang: vom 17. 9. bis 1.10.1982.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Fragen: mos.

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