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Zehntausende laufen durch Berlin beim Marathon.

© dpa / Andreas Gora

Metropole Berlin: Über sich hinaus wachsen

Berlin muss zusammenrücken, um sich weiterzuentwickeln. Will die Stadt das überhaupt?

Ein Kommentar von Robert Ide

| Update:

Berlin brummt. Dieses Wochenende zeigt die Stadt, dass sie Metropole kann: Auf den Straßen laufen Zehntausende einen der weltweit wichtigsten Marathons. Und am Olympiastadion tanzt sich die Partycrowd beim Festival „Lollapalooza“ die Beine in den Bauch.

Nach den herbstlichen Straßen- und Kiezfesten ist Berlin nun in der ganzen Stadt unterwegs, um die Weite in sich zu entdecken. Berlin hat sich von harten Jahren in der Pandemie nicht unterkriegen lassen. Die Wirtschaft wächst weiter, selbst aus dem Homeoffice heraus. Und die Hauptstadt wächst mal wieder über sich hinaus. Bald sollen hier vier Millionen Menschen wohnen.

Berlin ächzt. Es fehlen bezahlbare Wohnungen, dazu 1000 Lehrerinnen und Lehrer, Berlins Verwaltung versinkt weiter in der Bermuda-Bürokratie zwischen Senat, Bezirken und Bundesregelungen. Es wird enger auf vollgestellten Bürgersteigen und in S-Bahnen, die auf alten Gleisen fahren.

Ein Grummeln, nicht nur an den Rändern

Wohin also soll Berlin wachsen? Einfach die Fläche am Stadtrand zuzubetonieren, macht für das Klima keinen Sinn, auch für das menschliche nicht. Berlin muss zusammenrücken, um sich weiterzuentwickeln. Will die Stadt das überhaupt?

Menschen verschönern ihre Kieze, wie hier am Leon-Jessel-Platz. Foto: Cay Dobberke
Menschen verschönern ihre Kieze, wie hier am Leon-Jessel-Platz. Foto: Cay Dobberke

© Cay Dobberke

Berlin grummelt. Keine Metropole hat so viele Bürger-, Nachbarschafts- und Volksinitiativen. In ihnen steckt viel Energie, die Stadt zu verändern, ihre Natur und ihre soziale Durchlässigkeit zu retten, das Leben hier schöner zu gestalten. In vielen Initiativen lauert aber auch der Vorbehalt, dass es jetzt mal gut ist mit dem Boom um jeden Preis.

Eine Nachbarschaft in Mitte kämpft um eine 200 Jahre alte Eiche, die für eine Tiefgarage für sechs SUV-Parkplätze weichen soll – bisher vergeblich. Der Investor will es so. In der längst nicht reichen Stadt reicht das gern strapazierte „Arm, aber sexy“-Argument nicht mehr.

Rein symbolische Verkehrswende

Berlin bummelt. Die verschuldete Stadt hat sich kaputtgespart und nun, in Zeiten steigender Preise, kaum Reserven, um in die Zukunft zu investieren. Marode Schulen werden nicht saniert, die Ämter hängen im Papierstau, die Verkehrswende bleibt auf symbolischen Fahrradstraßen stecken.

Sogar die Wahl wurde verwurschtelt – ein Desaster für das demokratische Gemeinwesen. Die Stadt im Ganzen neu zu erwecken, dafür fehlen der Politik der Mut und der Verwaltung die Leute. Dabei ist genug Kreativität da und durchaus auch Wille zur Veränderung.

Berlin baut um. Auf dem früheren Flughafen Tegel entsteht ein nachhaltiges Innovationsquartier, das Ummelden auf Bürgerämtern wird digital, überall sprießen Pilotprojekte für ein besseres Stadtklima aus dem Boden. Der große Wurf wäre allerdings ein anderer: die Neuverteilung der Fläche, die Berlin nahezu kostenfrei für parkende Autos ausgibt. Ja, Berlin kann noch Weltstadt werden.

Lebenswert mit vier Millionen?

Der Umbau zur digitalen, klimaneutralen Metropole wird aber nur gelingen, wenn die Stadt anders wächst als bisher – für ihre Menschen; für Lebensräume mit frischer Luft in trockenen Sommern, mit sozialen Wohnungen und hybrider Arbeit in lebendigen Kiezen und einem angeschlossenen Umland.

Berlin haut rein. Jetzt ist die Zeit, die Stadt anders zu planen, damit sie auch mit vier Millionen Menschen lebenswert bleibt: sozialer, ökologischer, mit Investitionen in die Infrastruktur, die alle brauchen. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich: Erst muss eine Stadt gut funktionieren, bevor sie dynamisch wachsen kann.

Berlin macht neu. Lust auf sich selbst hat die Stadt, nicht nur an diesem Metropolen-Wochenende. Nun braucht Berlin nur noch Lust, sich selbst neu zu denken.

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