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Von Robert Ide: Politische Amateure

Das IOC verdient an Olympia und überlässt den Rest den chinesischen Diktatoren

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Heute rollt bei den Olympischen Spielen erstmals der Ball. Doch bevor die deutschen Fußballfrauen gegen die Brasilianerinnen antreten und damit die Sommerspiele sportlich eröffnen und noch bevor am Freitag das Feuerwerk über Pekings Olympiastadion vor den Augen der Weltöffentlichkeit verglüht, steht ein Sieger des Spektakels bereits fest: das Internationale Olympische Komitee. Mehr als drei Milliarden Euro nimmt das IOC durch die Spiele in Peking und die 2006 in Turin ein. Die Funktionäre der Ringe nehmen dafür vieles in Kauf – sogar, dass die Olympischen Spiele in China schon jetzt zu chinesischen Spielen mit Olympia verkommen sind.

Die olympische Fackel haben die Chinesen dem IOC aus der Hand gerissen und als nationales Symbol bis hinauf nach Tibet getragen. Die – zumindest den ausländischen Medien – versprochene Meinungsfreiheit haben die Diktatoren eingeschränkt und damit das IOC blamiert, das das Gegenteil versprochen hatte. Der Sportverband hatte die Spiele nach China vergeben mit dem moralischen Argument, das Reich werde sich der Welt so weiter öffnen. Eingetreten ist das Gegenteil: Dissidenten sitzen in Olympiahaft, Proteste in Tibet wurden brutal niedergeschlagen. Hunderttausende leiden unter Umsiedlung, Ausweisung und Unterdrückung. Das IOC will inzwischen lieber über Sport reden als über Moral.

Für den Sport aber hat das IOC nicht die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen. Der scheue Präsident Jacques Rogge – der als Reformer angetreten war, aber schon die zwielichtige Vergabe der Winterspiele 2014 ins russische Sotschi nicht verhindern konnte – hat den Missbrauch des Fackellaufs genauso hingenommen wie die Zensur des Internets. Schon jetzt steht Rogge als Verlierer da. Das IOC ist gelähmt, während Chinas Machthaber längst eigene Spiele inszenieren. Ein sportpolitischer Skandal.

Aber dass Sport (gerade von einer Diktatur wie China) politisch vereinnahmt wird, darüber sollte man (gerade in Deutschland) nicht verwundert tun. In Berlin inszenierten die Nazis den ersten olympischen Fackellauf. Die Spiele sind immer auch Propaganda – für das Gastgeberland und die siegenden Nationen. Die DDR hat es mithilfe eines staatlich durchgeplanten und medizinisch rücksichtslosen Hochleistungssports als kleines Land auf die Siegerpodeste der Welt geschafft – auf Kosten von Athleten, die noch heute unter körperlichen und seelischen Schmerzen leiden. China ist übrigens Exportweltmeister von Dopingmitteln.

Spitzensport ist maßlos. Im Wettkampf werden keine Grenzen gesetzt – es ist das Ziel, sie zu verschieben. In den letzten Wochen stellten die Schwimmer mehr als 50 Weltrekorde auf. Der Preis dafür wird vielleicht erst später bekannt.

Der Maßlosigkeit im Sport und in seiner politischen Vereinnahmung müssen Grenzen gesetzt werden. Das IOC vermag es nicht, dieser Aufgabe nachzukommen. Es hat wirtschaftlich gewonnen. Aber politisch verloren. Den Preis für die Entleerung der olympischen Idee und den Verlust der eigenen Symbole wird es noch zahlen müssen.

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