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Kolumne: Schafft den Muttertag ab!

Unsere Kolumnistin Ursula Weidenfeld fragt sich, warum Mütter einen Extra-Tag brauchen. Sie findet: Es ist an der Zeit, den Muttertag abzuschaffen.

Wieder wird Kindesstimme es fröhlich verkünden: „Ich wünsch dir Glück und Fröhlichkeit, die Sonne soll dir lachen, für heute und in alle Zeit, will ich dir Freude machen. Denn Muttertage, das ist wahr, die sind an allen Tagen, ich hab’ dich lieb das ganze Jahr, das wollt ich dir nur sagen.“ – Heute ist Muttertag. Und man fragt ratlos: Warum nur? Sollten Mütter immer noch einen Extra-Tag im Jahr für sich beanspruchen dürfen, so wie das Butterbrot zweifellos seinen Tag des Butterbrots (am 30. September) verdient, oder wie unbedingt am 4. Juni der Artenvielfalt gedacht werden sollte? Den alten Müttern zu danken, sie zu besuchen und ihnen Blumen zu schenken, das kann nie falsch sein. Doch gilt das auch für die jungen Frauen?

Das Butterbrot und die Artenvielfalt werden gesellschaftlich unterschätzt, das ist Grund genug, sie wenigstens an einem Tag im Jahr zu würdigen. Das trifft für die Mütter, deren Kinder jetzt im Bastelalter sind, nicht zu, im Gegenteil: Um sie macht sich ein neuer Kult breit. Weil man die Mutterschaft in diesem Land routinemäßig als schwere Bürde begreift, der sich nur die Mutigsten aussetzen, ist jetzt jeder Tag Muttertag. Mütter können sich kaum retten vor gesellschaftlicher Anerkennung, tollen familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen und endloser Toleranz, was die Fehlstunden in der Arbeit wegen Läusen und Schnupfen beim Nachwuchs angeht.

Die Mütter werden ordentlich ausgestattet mit finanziellen Mitteln, damit die Kinder gut angezogen und unterrichtet werden können. Das Elterngeld sorgt zudem dafür, dass in der Babypause keine Armut in der Familie ausbricht. Und damit die Kinder sie nicht so nerven, gibt es zunehmend Ganztagskindergarten- und -schulplätze. Dann kann die Mutter auch mal ausruhen oder zur Arbeit gehen. Auch wenn immer noch nicht alles zum Besten bestellt ist, muss doch festgehalten werden: So gut wie heute ging es jungen Müttern wohl noch nie.

Dieser Sonntag sollte deshalb kein Tag sein, an dem sich die Nation noch einmal zusätzlich vor ihren Müttern verbeugt. Es sollte ein Tag sein, an dem die Mütter einmal der Gesellschaft, den Kinderlosen, dem Staat dafür danken, dass ihnen all dies vor die Tür gestellt wird. Und sie sollten wenigstens heute aufhören, so zu tun, als seien es nur ein einziger mickriger Muttertag im Jahr, eine Schachtel „Mon Chérie“ und ein Blumenstrauß, der sie für den ganzen Ärger entschädigen soll. Denn so ist es schon lange nicht mehr – und die Bastelarbeiten waren früher auch schöner.

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