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Schwarz-Rot droht der Renten-Clash: Die Rebellion der Realisten
Die Rentenpolitik von Schwarz-Rot ist wie ein Generationenvertrag, den nur noch eine Seite unterschreibt. Zum Glück gibt es dagegen Protest. Doch für Friedrich Merz und Jens Spahn ist das Problem gewaltig.

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Abräumen, wegdrücken, kleinmachen: Diese Techniken hat politisches Führungspersonal drauf, wenn es um unliebsamen Protest, um Aufmüpfigkeit in den eigenen Reihen geht. Da kommt also in der Union ein Trupp junger Renten-Rebellen ums Eck und fordert mit großer Geste weitreichende Änderungen an einem fertig ausgehandelten Koalitions-Kompromiss.
Klingt eigentlich nach einer Lockerungsübung zum Tagesstart für einen erprobten Machtstrategen etwa in der Fraktionsführung. Nach einem Problem, das sich mit ein paar Einzelgesprächen und unmoralischen Gegenversprechen aus der Welt schaffen lassen sollte. Wo das nicht reicht, muss ein bisschen Druck her. Wer weiß, wie sich die Dinge bei der nächsten Listenaufstellung sortieren?
Aber diesmal ist es nicht so einfach. Es geht darum, ob die vereinbarte Garantie des Rentenniveaus bei 48 Prozent nach 2031 fortwirkt. Das klingt technisch, ist aber von gewaltiger Bedeutung. Es geht um hohe Milliardensummen, mit denen sich der Gesetzgeber auf Jahrzehnte bei der Aufstellung des Bundeshaushalts noch weiter selbst einmauert. Es geht darum, ob das einstige Versprechen, die Lasten der demografischen Alterung gerecht zwischen Jung und Alt aufzuteilen, endgültig und langfristig beerdigt wird. Der Konflikt schwelt seit Wochen und bekommt nun, vor dem Koalitionsausschuss, auch vor dem Deutschlandtag der Jungen Union, neue Aufmerksamkeit.
Am Ende könnte es um den Fortbestand der Koalition gehen
Zu stichhaltig sind die Argumente der Protestierenden, als dass sie sich mit den üblichen Tricks aus der Welt schaffen ließen. Zu überzeugt sind die Abgeordneten von der Richtigkeit und Dringlichkeit ihres Anliegens, als dass sie sich einfach einkaufen ließen. Und zu groß ist der Unmut in der Unionsfraktion insgesamt. Es sind nämlich nicht nur Junge, die das Rentenpaket für eine große Ungerechtigkeit halten.
Die Spitzen der Koalition wären froh, wenn sich das Thema im Koalitionsausschuss klären ließe. Doch eine Einigung, die die Rebellen zufriedenstellen würde, ist nicht denkbar. Denn von Seiten der SPD liegt die Verhandlungsbereitschaft sehr nahe null.
Bei der Rente könnte sich also entladen, was die Führung der Unionsfraktion bei Sondervermögen und Schuldenbremse noch begrenzen konnte: der ganz große Frust über eine Politik, die in Sachen Geld wirklich nur noch ans Ausgeben denkt.

© dpa/Katharina Kausche
Kanzler Friedrich Merz hat das Renten-Paket im Kabinett mitgetragen, obwohl er gewusst haben muss, welche massiven Probleme viele Abgeordnete seiner Union damit haben würden. Nun ist er auf Gedeih und Verderb auf Fraktionschef Jens Spahn angewiesen. Lässt sich die Fraktion nicht einfach auf Linie bringen, und danach sieht es gerade aus, hat nicht nur Spahn ein gewaltiges Problem. Sondern auch Merz. Zu Recht ist die Rede davon, am Ende könnte es um den Fortbestand des Regierungsbündnisses gehen.
Es ist ein Phänomen, dass in der SPD weit und breit keine Jungen zu finden sind, die ebenfalls aufbegehren. Niemand hinterfragt das eigene Debattengerüst rund um „Respekt“ und „Lebensleistung“. Wenn tatsächlich irgendwann das Geld ausgeht, lassen sich schließlich immer noch die Steuern erhöhen. Aber wo bleibt der Respekt vor den Jüngeren, die die milliardenteuren Großzügigkeiten zu bezahlen haben, und zwar von Geld, das ihnen ohnehin schon fehlt?
Die CSU begnügt sich mit schlichter Klientelpolitik. Ihr geht es um die Ausweitung der Mütterrente, die enorme Kosten mit minimalem Nutzen aufs Unschönste verbindet. Weil Markus Söder diese Trophäe unbedingt haben will, steht er auf der sozialdemokratischen Seite der innerkoalitionären Renten-Barriere. Das macht die Lage schwieriger, aber hoffentlich nicht aussichtslos.
Die Rentenpolitik von Schwarz-Rot ist wie ein Generationenvertrag, den nur noch eine Seite unterschreibt. Die Koalition ruft nach Respekt und überhört eine ganze Generation. Sie verteilt Geld, das sie nicht hat und das keiner mehr zurückzahlen kann. Die jungen Abgeordneten, die jetzt aufbegehren, sind keine Revoluzzer – sie sind Realisten.
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