zum Hauptinhalt

Meinung: Sonntags Schäuble: Im Zweifel für den Zweifel

Als Jurastudent lernt man, dass Überflüssiges falsch ist. Diese Erkenntnis ist nicht ganz neu.

Als Jurastudent lernt man, dass Überflüssiges falsch ist. Diese Erkenntnis ist nicht ganz neu. Schon in der Bergpredigt heißt es: "Eure Rede sei ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist von Übel." Dagegen hat der designierte Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin verstoßen, als er sich die selbstgestellte Frage beantwortet hat, ob das Klonen eines Embryos die Menschenwürde beschädige. "Zweifellos nein" ist für ihn die Antwort. Warum, um Himmels willen, zweifellos?

Die Begründung, die Nida-Rümelin für seine Verneinung liefert, ist jedenfalls eher zweifelhaft. Er setzt die Entwürdigung eines menschlichen Wesens gleich damit, dass ihm seine Selbstachtung genommen werde. Die Selbstachtung eines Embryos lasse sich nicht beschädigen, also lasse sich dass Kriterium der Menschenwürde nicht auf Embryos ausweiten. Wie steht das dann mit Koma-Patienten oder geistig Behinderten? Und ab wann etwa hält Herr Nida-Rümelin Neugeborene der Selbstachtung für fähig? Wer eine so haarsträubende Begründung für seine Behauptung bietet, der muss die These dann tatsächlich mit einem "zweifellos" bekräftigen. Aber richtig wird sie dadurch noch lange nicht. Lautstärke oder Entschiedenheit ersetzen nicht das Argument. Da hat Nida-Rümelin der Basta-Methode seines Bundeskanzlers falschen Tribut gezollt.

Die Fortschritte in Naturwissenschaften und Medizin stellen die Menschheit vor atemberaubend schwierige Fragen. Darf der Mensch wirklich alles, was er zu können glaubt? Spätestens seit den Debatten um nukleare Abrüstung haben wir gelernt, dass alles, was einmal erdacht wurde, nicht mehr so leicht aus der Welt zu schaffen ist. Das legt Zurückhaltung nahe. Und Zweifel.

Die Menschenwürde muss unkonditioniert bleiben. Da gilt es, Anfängen zu wehren. Sie ist unveräußerlich, unantastbar, unverfügbar. Das duldet keine Einschränkung, auch nicht durch trickreiche Begründungsversuche. Für die Genforschung stellen sich existenzielle Abwägungsfragen. Und der Hinweis auf internationalen Wettbewerb kann nicht als wohlfeile Ausrede dienen. Die Verantwortung trägt jeder selbst.

Eine Grenze bleibt immer: Anfang und Ende bleiben außerhalb menschlicher Verfügung. Das gilt für das menschliche Leben wie für die Schöpfung insgesamt. Was vor dem Urknall war und nach den schwarzen Löchern sein wird, entzieht sich menschlicher Vorstellungskraft auch dann, wenn man den Theorien der Astrophysik zu folgen imstande ist. Zwischen Anfang und Ende ist menschliches Leben und Streben, ist Raum für Forschergeist und Erfindungskraft, für Fortschrittserfolge und Scheitern. Das sind noch keine Antworten auf alle Fragen, die die Gentechnologie aufwirft. Aber es ist ein Plädoyer für Zurückhaltung. Und eine Verteidigung des Zweifels.

"Si tacuisses philosophus mansisses." Hättest Du geschwiegen, wärest Du ein Philosoph geblieben. Jetzt wird er Kulturstaatsminister. Gut begonnen hat er nicht.

Wolfgang Schäuble ist Präsidiumsmitglied

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false