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Meinung: Symbolische Siege

Die US-Demokraten machen sich im Streit mit Präsident Bush um den Irakabzug unglaubwürdig

Stand:

Das Desaster von US-Präsident George W. Bush im Irak war ein Hauptgrund für den Sieg der Demokraten in der Kongresswahl. Der Krieg ist unpopulär, eine klare Mehrheit der Bürger sähe die Truppen lieber gestern als heute wieder daheim. Es ist nur natürlich, dass die Demokraten Bush hier weiter in die Enge treiben wollen, auch um ihre Position für die Präsidentenwahl 2008 zu verbessern. Doch sie laufen Gefahr, den Showdown um feste Abzugstermine zu verlieren. Ihre symbolischen Siege im Abgeordnetenhaus und im Senat werden ihnen am Ende wenig nützen. Die US-Verfassung gibt dem Präsidenten eine starke Stellung in solchen Machtkämpfen, zudem hat ihre Attacke Schwachstellen.

Zwischen politischer Theorie und Wirklichkeit öffnet sich ein weites Feld – und ebenso in der widersprüchlichen Gefühlswelt der Bürger. Theoretisch kann der Kongress den Truppenabzug erzwingen: indem er dem Präsidenten das Geld für den Krieg verweigert. Davor schrecken die Demokraten zurück. Sie fürchten die Dolchstoßlegende, sie seien schuld an der Niederlage, weil sie den Truppen im Feld die Mittel nehmen. Die Wähler sind gegen den Krieg, wollen aber auch nicht, dass der Kongress sich gegen die Soldaten stellt.

So versehen die Demokraten die 100 Milliarden Dollar Nachtragsetat, die Bush fordert, mit einem Datum für den Teilabzug. Nach dem Willen des Senats soll es ab März 2008 (Abgeordnetenhaus: Herbst 2008) keine Kampftruppen mehr im Irak geben, die in den Bürgerkrieg eingreifen. Gegen Aufständische und Mordmilizen sollen die Iraker dann allein kämpfen. Zehntausende GIs blieben nur noch zum Schutz der Regierung und der Grenzen im Irak.

Bush wird sein Veto einlegen. Er sagt, feste Termine nützten nur dem Feind. Zudem sei es nicht Aufgabe des Parlaments, das „Mikromanagement des Krieges“ zu übernehmen. Davon verstünden die Militärs mehr. Die Demokraten fehlt die nötige Mehrheit, um ein Veto zu überstimmen. In diesem Patt entscheidet die öffentliche Wahrnehmung des Konflikts darüber, wer am Ende einlenken muss.

Bush-kritische Medien warnen die Demokraten davor, ihr Blatt zu überreizen. Die sind sich einig in der Opposition gegen den Krieg, nicht aber über eine Alternativstrategie. Um die nötige Mehrheit für die Terminauflage zu sichern, haben sie die 100 Milliarden Dollar Kriegskosten auf 120 Milliarden aufgebläht – mit sachfremden Projekten, die zum Gutteil ihren Wahlkreisen nutzen und ihre Klientel erfreuen sollen. Das macht es Bush leicht, sie vorzuführen. Im Wahlkampf hatten die Demokraten gegen diese Praxis der Republikaner gewettert und versprochen, es anders zu machen.

Bush kommt auch gelegen, dass er Teilerfolge seiner umstrittenen Truppenverstärkung vermelden kann. Zwar gibt es weiter Nachrichten über blutige Anschläge und Massaker. Aber die Offensive gegen die schiitischen und sunnitischen Mordmilizen in Bagdad hat den Bandenkrieg mit dem Ziel ethnischer Säuberungen ganzer Stadtviertel deutlich verringert. Gewiss, auch dies sind wohl nur vorübergehende Siegchen, die Bushs grundsätzliche Niederlage im Irak nicht abwenden können.

Dank der neuen Kongressmehrheit der Demokraten führt Amerika eine offene Debatte, wie es weitergehen soll im Irak. Beim Urteil über Bushs Fehler haben sie die Nation hinter sich. Die Suche nach einem Ausweg ist schwieriger. Wenn die Demokraten 2008 das Weiße Haus erobern, stehen sie vollends in der Verantwortung für ein unlösbares Problem, obwohl sie es nur geerbt haben.

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