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Meinung: Und, Hans, was sind Deine Vorsätze?

Der Finanzminister hat 2004 die Chance – und die Pflicht – für mehr Wachstum zu sorgen

Von Antje Sirleschtov

Kann irgendjemand seine Steuerbelastung in diesem Jahr einigermaßen verlässlich kalkulieren? Gibt es gar jemanden, der eine Ahnung davon hat, mit welchen Abgaben ans Finanzamt er in zwölf oder vierundzwanzig Monaten zu rechnen hat? Ganz bestimmt nicht. Abgesehen von dem Wirrwar, das die deutschen Finanzpolitiker mit den zahlreichen Gesetzen ausgelöst haben, die Ende Dezember beschlossen wurden und nun in Kraft treten. Sie stiften bei Bürgern und Unternehmern, kaum dass das Jahr begonnen hat, schon wieder neue Verunsicherung. Progressivtarif oder Stufen werden debattiert.

Auch Abgeltungssteuer oder steuerfreier Rentenversicherungsbeitrag sind Stichworte. Sieht so verständliche und gar verlässliche Finanzpolitik aus, auf deren Grundlage langfristige Investitionen getätigt, Arbeitsplätze und damit wirtschaftliches Wachstum geschaffen werden? Zweifellos wird das ein Jahr für Hans Eichel. Ein Eichel-Jahr, ähnlich wie das Konsolidierungsjahr 2000 vielleicht. Ein Jahr auf jeden Fall, in dem der Finanzminister die Chance, auch die Pflicht hat, zwei wesentliche Bausteine davon umzusetzen, was die Agenda 2010 des Kanzlers im Kern meint, nämlich Wachstum und Erneuerung.

Beides benötigt nicht nur die rot-grüne Regierung dringend. Auch für die deutsche Finanzpolitik hängt von einer großen Steuerreform, die Antworten auch auf die künftige Finanzierung der öffentlichen Haushalte gibt, sehr viel ab. Und zwar nicht, weil Brüsseler Kommissare dem Schuldenland mit blauen Briefen auf den Fersen sind. Und auch nicht, weil die Opposition mit Milliardenbeträgen hantiert, um die die deutschen Wähler entlastet werden könnten, wenn sie denn nur die richtige Regierung hätten.

Wohl aber, weil der Dauerstreit der letzten Monate den allermeisten Menschen sehr viel tiefere Einblicke in eine Sphäre der Politik verschafft hat, die sich früher im Nebel von Zahlen und Buchungsvorgängen verbarg, und die nun ihre Entscheidungen in der Zukunft beeinflussen werden. Dass der Staat mehr als die Hälfte seines Geldes für Renten und Kreditzinsen ausgibt und deshalb immer weniger für die Finanzierung von Bildung und Forschung übrig bleibt: Wir wissen es jetzt. Dass einzelne Interessengruppen Milliardensubventionen kassieren und deshalb die Mittel für sozialen Ausgleich und Steuersenkungen fehlen, die jedermann zugute kommen: Es ist uns klar geworden. Und dieses Wissen beinflusst. Beim Hauskauf, der Familien- oder Unternehmensgründung, der Steuerehrlichkeit. Und auch der Wahlentscheidung. In diesem Jahr bei Europa-, Landtags- und Kommunalwahlen. Und in zwei Jahren bei der nächsten Bundestagswahl.

Deshalb muss Eichel jetzt seine Vorstellungen von der künftigen Steuerpolitik und Haushaltsfinanzierung vorlegen, ganz gleich, ob sie Anfang 2005 umgesetzt werden. Dazu gehört neben einer Vision über die Strukturen der Besteuerung von Arbeitseinkommen und Kapitalerträgen – sei es nun in einem dualen System, mit progressivem Tarif oder mittels Flat-Taxes – auch ein Konzept, mit dem Bund, Länder und Gemeinden von ihren Schuldenbergen herunterkommen.

Das Kalkül des Finanzministers, seine Steuerentlastungs-Reform 2000 werde die Regierung bis ins Wahljahr 2006 tragen und den Rest werde der wirtschaftliche Aufschwung schon erledigen, diese Hoffnung ist dahin. Denn bis dahin werden die Steuerquellen nicht sprudeln und die öffentliche Verweigerung, Subventionsleistungen zum kurzfristigen Stopfen von Haushaltslöchern herzugeben, hat Eichel im vergangenen Jahr mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz und im Vermittlungsausschuss gleich zweimal schmerzhaft zu spüren bekommen.

Jetzt gibt es Hoffnung auf mehr. Und weder Brüssel noch die Opposition und schon gar nicht die Steuerzahler selbst werden Hans Eichel ein laues Jahr 2004 durchgehen lassen.

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