Im WORT laut: Unfreiwillige NSDAP-Mitglieder?
In der „FAS“ antwortet der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler auf die Frage, ob es „einer marktwirtschaftlich orientierten Partei wie der CDU gut zu Gesicht steht, mit Steuergeld ein offenbar marodes Unternehmen wie Opel am Leben zu erhalten“?Ja.
Stand:
In der „FAS“ antwortet der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler auf die Frage, ob es „einer marktwirtschaftlich orientierten Partei wie der CDU gut zu Gesicht steht, mit Steuergeld ein offenbar marodes Unternehmen wie Opel am Leben zu erhalten“?
Ja. Beamte und manche Journalisten haben zwar gern Vorgänge, wo sich nachschauen lässt, wie man es früher gemacht hat. Aber Opel ist wie die deutsche Wiedervereinigung ein Solitär – und Politik ist keine Wissenschaft, sondern eine Kunst, das wusste schon Bismarck. Und in dieser Kunst ergibt zwei und zwei nicht immer vier, sondern manchmal eben auch fünf. Opel ist so eine Fünf. In der Politik entstehen immer wieder Situationen, bei denen man nicht nach Dogmen vorgehen kann, die irgendwelche Professoren aufgestellt haben. Ludwig Erhard hat 1950 im Ruhrgebiet auch Industriepolitik gemacht.
Im „Spiegel“ nennt der Schriftsteller Dieter Wellershoff die Mitteilung, dass eine Karteikarte ihn als Mitglied der NSDAP ausweise, einen grotesken Irrtum. Er sei vermutlich durch eine Sammelliste, ohne sein Wisssen, aufgenommen worden sein:
Was ist das für ein befremdliches Interesse, das diesem Nazi-Funktionär Anton Lingg, der Leiter des Mitgliedsamtes bei der Reichsleitung der NSDAP hatte nach dem Krieg behauptet, niemand sei ohne einen persönlich unterschriebenen Antrag in die Partei aufgenommen worden] Glaubhaftigkeit zubilligt, um einer langen Reihe von Intellektuellen, Schriftstellern, Künstlern, Musikern, Wissenschaftlern und Politikern, die gegen Ende des Krieges zwischen 17 und 21 Jahre alt waren und in den folgenden Jahrzehnten maßgeblich die Kultur unseres Landes geprägt haben, unterstellen zu können, sie seien Lügner, die sich weigerten, freiwillige Mitglieder der Nazi- Partei gewesen zu sein? Handelt es sich hier um einen nachgetragenen Generationenkrieg?
Die Glaubwürdigkeitsdebatte ist 2007 durch einen Artikel im „Focus“ ausgelöst worden und dauert noch immer an. Aber sie hat sich gewendet, schon allein deshalb, weil die vorübergehend verdächtigten Personen im Gegensatz zu jenem Lingg alle durch ihr Lebenswerk ausgewiesene Menschen sind, die es nicht nötig hätten, Irrtümer und ideologische Gläubigkeiten ihrer Jugend zu verleugnen.
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