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Was Wissen schafft: Von Babel nach Bali

Seit Bali ist klar, dass jeder Glaube an ein effektives Welt-Klima-Abkommen illusorisch ist – weder 2009 noch irgendwann später. Das Klima ist nur durch neue Technologien zu retten.

Auf Bali ging es zu wie beim Turmbau zu Babel. Etwa 11 000 Teilnehmer aus 187 Ländern debattierten in rund 200 Sprachen darüber, wie das Weltklima zu retten sei. Heraus kam ein dürres Vierseitenpapier, dessen unterschiedliche Interpretationen die babylonische Sprachverwirrung glatt in den Schatten stellen: Die Bundeskanzlerin spricht von einem „großen Erfolg“ und sieht ihren bereits nach Heiligendamm verbreiteten Optimismus bestätigt. Umwelt-Staatssekretär Michael Müller nennt Bali dagegen ein „Trauerspiel“ und diagnostiziert ein „gigantisches Versagen der Weltgemeinschaft“. Ex-Außenminister Joschka Fischer sieht das Resultat als „faulen Kompromiss“, beim UN-Klimagipfel hätten sich „die Bremser fast vollständig durchgesetzt“.

Woran soll man da noch glauben?

Zur Beantwortung dieser Frage sieht sich der atheistische Naturwissenschaftler die weltlichen Fakten an. Der auf Bali verabschiedete „Aktionsplan“ enthält kein einziges Klimaschutzziel. Selbst das schwammige Versprechen der G-8-Staatschefs von Heiligendamm, eine Halbierung der Treibhausgase bis 2050 „ernsthaft zu prüfen“, fand diesmal keine Mehrheit. Verbindlich vereinbart wurde lediglich, dass weiterverhandelt werden soll, um Ende 2009 zu einer Vereinbarung zu kommen. Diese künftige Vereinbarung soll dann für Industriestaaten konkrete Maßnahmen und verbindliche Klimaschutzziele „in Betracht ziehen“.

Entwicklungsländer wurden jedoch bereits jetzt vom Inbetrachtziehen von Klimaschutzzielen ausgenommen – die künftigen Problemländer China, Indonesien, Brasilien und Indien haben sich einen fatalen Freibrief ausgehandelt, den die Schönredner der Bali-Vereinbarung einfach unterschlagen.

Die Rettung des Erdklimas wurde damit nicht nur vertagt, sondern mit einer schweren Hypothek belegt: China löst derzeit die USA von Platz eins der Treibhausgas-Verursacher ab. Indonesien steht durch die gigantische Vernichtung der Regenwälder bereits heute auf Platz drei, Indien erreicht bis 2012 den vierten Rang. Entwicklungsländer verursachen die Hälfte der globalen Kohlendioxidemissionen der nächsten 30 Jahre. Selbst wenn die Industrieländer ihren Ausstoß sofort auf null reduzierten, würde das Kohlendioxid in der Atmosphäre die als „gefährlich“ angesehene Schwelle von 450 ppm bis zum Jahr 2070 erreichen. Ohne Gegenmaßnahmen wird es bereits 2040 so weit sein.

Hilft da nur noch beten?

Seit Bali ist klar, dass jeder Glaube an ein effektives Welt-Klima-Abkommen illusorisch ist – weder 2009 noch irgendwann später. Kein Staat verpflichtet sich für das Klima, wenn damit wirtschaftliche Nachteile verbunden sind. Entwicklungsländer wollen nur Maßnahmen ergreifen, wenn sie dafür Geld bekommen und ihr Wachstum nicht behindert wird. Europa hofft, mit klimafreundlichen Technologien Geld zu verdienen. Die USA blockieren, weil sie weder Geld bekommen, noch derzeit am Klimaschutz verdienen können.

Es ist deshalb höchste Zeit für einen grundlegenden Strategiewechsel. Die Industrieländer, die hundert Jahre lang auf Kosten fossiler Brennstoffe Wohlstand aufgebaut haben, können dem Rest der Welt keine Wachstumsbremsen vorschreiben. Stattdessen müssen sie jetzt mit aller Kraft Technologien entwickeln, die zugleich klimaverträglich und wirtschaftlich sind. Erst wenn klimaschonende Kraftwerke, Fabriken, Verkehrsmittel, Häuser und Geräte nicht mehr teurer als herkömmliche sind, werden die Entwicklungsländer verbindlichen Emissionsgrenzen zustimmen. Zu der notwendigen, titanischen Forschungsanstrengung kann Deutschland Wesentliches beitragen. Das ist allemal besser, als das Wahlvolk mit politischen Scheinerfolgen zu beruhigen.

Der Turmbau zu Babel scheiterte bekanntlich, weil Gott dem zivilisatorischen Größenwahn der Menschen ein Ende bereitete. Er verwirrte die Sprachen der Bewohner der damaligen Metropole und vertrieb sie über die ganze Erde. In Bali ist die moderne Zivilisation erneut gescheitert. Nur bekommt der Mensch von Gott keinen neuen Platz zum Ausweichen – er muss das Problem diesmal selbst lösen.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

Alexander S. Kekulé

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