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Ein Zwischenruf zu …: …Vorurteilen

In diesen Tagen schaut die Welt auf Ägypten, wo die Bevölkerung mit Löwenmut, unter Gefahr für Leib und Leben, nach Freiheit und Demokratie verlangt. Das hat den Ägyptern kaum jemand zugetraut.

In diesen Tagen schaut die Welt auf Ägypten, wo die Bevölkerung mit Löwenmut, unter Gefahr für Leib und Leben, nach Freiheit und Demokratie verlangt. Das hat den Ägyptern kaum jemand zugetraut. Halten wir westlichen Demokraten die arabisch-muslimischen Länder nicht für total unfähig, sich aus dem Schraubstockgriff ihrer diktatorischen Regime zu befreien? Sind die meisten westlichen Kritiker des islamischen Kulturraums nicht der Meinung, dass Islam und Demokratie grundsätzlich unvereinbar sind? Das, so folgern sie dann weiter, sei auch der Grund, warum Muslime in ihren Heimatländern oder als Einwanderer die politische und wirtschaftliche Rückständigkeit ihrer Herkunftsländer gar nicht ernsthaft bekämpften.

Nach den Ereignissen der vergangenen Tage könnte sich der ständig beschworene unauflösbare Widerspruch zwischen den westlichen Werten und dem Islam als falsches Prophetentum erweisen, obwohl er hartnäckig, ja missionarisch von radikalen Islam-Kritikern wie Necla Kelek aus Deutschland, Geert Wilders aus den Niederlanden, Jean-Marie le Pen aus Frankreich propagiert wird.

Solche Unterstellungen erzeugen neben der generellen Diffamierung von Muslimen als geborene willfährige Untertanen noch eine weitere, gefährliche Wirkung: Sie bestätigen die ebenso falschen „Gewissheiten“ der Islamisten, dass freiheitlich-demokratische Ordnungen generell unislamisch sind und damit auch nicht universell gültig sein können.

Noch ist nicht sicher, ob die Volksbewegung am Nil und auch in Ländern wie Jordanien, Tunesien und dem Jemen ihre Autokraten, die säkular-feudal herrschen, durch säkular-demokratische Regierungen ersetzen kann. Sollten diese Länder doch noch in der „Teufelsküche“, also in Mullah-Diktaturen enden, dann gewiss gegen den Willen der Mehrheit.

Wäre es jetzt nicht an der Zeit, unsere Bilder von den „Arabern“ auszuwechseln? Was wir sehen, sind keine „Inschallah-Masochisten“, die sich nach der Burka oder dem Kopftuch, nach der Steinigung oder dem Bildungsverbot für Mädchen und Frauen sehnen. Es sind Menschen aller Altersgruppen und Schichten, die Arbeit und Aufstieg wollen, die sich wünschen, ihre Meinung frei äußern zu dürfen, die beabsichtigen, durch Wahlen gewaltlose Machtwechsel herbeizuführen. Mehr Islam als Lösung für ihre sozialen Nöte – dafür kämpfen sie nicht. Wenn ihr Protest gelingt, werden sie bestimmen, was Islam für sie bedeutet in der modernen Welt. Ex oriente lux? Ich hoffe es mit ihnen.

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