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Muttertag: Was ist eine Mutter?

Es ist Muttertag und Millionen Mütter bekommen heute von ihren Kindern Blumen geschenkt. Der Blick zurück zeigt: Die Mutter von heute hat eine andere Rolle als die Mutter von vor 50 Jahren. Was ist also eine Mutter?

Von Caroline Fetscher

Anders gefragt: Warum sind Tierfilme so beliebt, in fast jedem Alter und Milieu? Besonders geschätzt werden Szenen mit Tierkindern und Tiermüttern. Denn in der Welt der Welpen, Fohlen, Äffchen oder Robbenbabys hat alles seine festgefügte Ordnung. Tiermütter sind instinktiv mütterlich; Vogelmütter brüten und füttern und sorgen dafür, dass die Vögelchen flügge werden. Keine Vogelmutter würde ihr Kleines ans Nest fesseln oder in einem verfaulten Nest verwahrlosen lassen. Bei der Tiermutter weiß man, woran man ist.

Bei der Menschenmutter sieht die Sache anders aus. Sie ist zunächst ein weibliches Wesen, das ein kleines Wesen geboren hat. Soweit regiert die Biologie. Alles weitere aber bestimmen Kultur, Zivilisation, Gesellschaft. Es gibt kein Mutterprogramm, das wie bei der Möwe einfach anspringt. Den Umgang mit einem Menschenkind müssen erwachsene Menschen erlernen. Hierbei dominierten über die gesamte Geschichte hinweg die Bedürfnisse und Fantasien der Großgruppen. Erwachsene überall boten Kindern Nahrung, Obdach und Kleidung. Alles weitere orientierte sich an der Funktion, die etwa einer Bauerntochter, dem Sohn eines Handwerkers zugedacht wurde. Mütter und Väter waren als Agenten der Sozialisation zugleich Agenten der Gesellschaft. Wie die Geschichte zeigt, war oft jedes noch so grausame Mittel recht, etwa um aus einem Jungen einen Soldaten, aus einem Mädchen eine Magd zu machen. Die Mütter waren immer dabei. Als der minderjährige Sohn der Künstlerin Käthe Kollwitz 1914 in den Krieg ziehen sollte, brauchte er die Unterschrift des Vaters Karl. Die Mutter drängte ihren Mann zu diesem „Opfer“. Der Sohn fiel, vor bald hundert Jahren, in Flandern.

Mütter, die ihre Kinder opfern, im Stich lassen, auf ihr Schreien nicht reagieren, sich von der Pflege der Kinder angestrengt und bedrängt sahen, beschäftigen die historische Forschung, ebenso wie couragierte Mütter, die sich für das Wohl ihrer Kinder und deren Ausbildung einsetzten. Dem Wunsch nach einer guten Mutter verdankt das Abendland die Ikone der Mutter Maria, die etwa als Stillende, als „Maria lactans“, die glückselige, heilige Dyade aus willig nährender Mutter und wohlernährtem Kind verkörpert.

Aus der idealisierten Mutter ließ sich religiös wie politisch, bis hin zum biologistischen NS-Mutterkreuz, Kapital für Ideologien schlagen. Aufgeklärte Gesellschaften verabschieden sich von ihr, indem sie Frauen- wie Männerbilder von veralteten Ikonen ablösen. Wenn sich jetzt sogar der konservative deutsche Finanzminister dafür stark macht, dass gleichgeschlechtliche Paare als Eltern fiskalisch den heterosexuellen gleichgestellt sein sollten, signalisiert das in diesem Paradigmenwechsel einen Durchbruch. Längst hat die Entwicklungsgpsychologie klargemacht, was Kinder vor allem brauchen: Schutz, Zeit, soziale Wärme, kreative Anregungen, entspannte Aufmerksamkeit. Ist jemand bereit und reif genug dafür, kann er oder sie „Mutter“ sein. Die größte Frage, die sich in der aufgeklärten Gesellschaft unmittelbar anschließt, ist die der verbindlichen, verpflichtenden Aufklärung darüber, was Elternsein bedeutet. Wer im Straßenverkehr unterwegs ist, braucht eine Lizenz. Wer für ein winziges, verletzbares Wesen, Kind genannt, Verantwortung übernehmen will, sollte erst recht eine erwerben.

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