Meinung: Wenn der Klempner Ire ist
Die größte Volkswirtschaft in Europas Binnenmarkt hat Angst vor Konkurrenz – warum?
Die geplante Dienstleistungsrichtlinie des EU- Binnenmarktkommissars Charlie McCreevy erregt die Gemüter. Lohndumping! Kleinstaaterei! So warnen die Gewerkschaften, während sie die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen europäisieren wollen. Wirtschaftsverbände wettern, der deutsche Meisterbrief sei in Gefahr, während sie sonst keine Gelegenheit auslassen, mehr Wettbewerb anzumahnen.
In der Praxis ist es für Dienstleister häufig schwierig, in einem anderen EU-Land als ihrem eigenen zu agieren. Viele Bestimmungen sind undurchsichtig oder kompliziert, das gilt besonders für Deutschland. Theoretisch gibt es drei Möglichkeiten, in einem Binnenmarkt von 25 Staaten zu regeln, wie Dienstleister agieren.
Da ist zum einen der Status quo, also die Regel, dass alle Anbieter verpflichtet sind, nach den Regeln des Landes zu arbeiten, in dem der Auftrag ausgeführt wird. Kommissar McCreevy sieht darin eine Blockade, und er hat Recht: Die kleinen Staaten müssen sich so nach den Gepflogenheiten der großen richten, die Strukturen verkrusten.
Möglichkeit Nummer zwei: McCreevy will, dass die Regeln des Landes gelten, aus dem der Anbieter der Dienstleistung kommt. Dann würde zum Beispiel ein griechischer Architekt für einen deutschen Auftraggeber so arbeiten, als ob der ein Grieche wäre. Die deutschen Vorschriften und Gesetze müsste er freilich einhalten.
Was soll daran schlimm sein?
Der Auftraggeber wird wissen, was er an einem deutschen Architekten hat. Wettbewerb tut gut. Und es wäre doch gelacht, wenn die deutschen Dienstleister nicht im europäischen Wirtschaftsraum die zentrale Rolle spielten – die größte Volkswirtschaft Europas, die führende Exportnation der Welt. Nebenbei würde schon bald manche deutsche Vorschrift entsorgt, damit deutsche Anbieter besser im Ausland agieren können.
Schließlich gäbe es die dritte Möglichkeit, einen einheitlichen EU-Standard für Dienstleistungen zu schaffen. Wer gegen Kleinstaaterei ist, muss diese Lösung wollen. In Bayern und Berlin gelten ja auch schon lange keine unterschiedlichen Regeln mehr für das Geschäftemachen. Was für das föderale Deutschland billig ist, sollte für die Europäische Union – die laut ihrer „Lissabon-Strategie“ in fünf Jahren die dynamischste Wirtschaftsregion der Welt sein will – recht sein.
Nur: So rosig man Europas Zukunft auch zeichnen mag, die Bürokratien in Brüssel und den 25 Hauptstädten werden wohl noch einige Zeit verhindern, dass man sich zügig auf gemeinsame und sinnvolle Standards für die Dienstleistungsbranche im gemeinsamen Binnenmarkt einigt. Deswegen ist es richtig, McCreevys Zwischenschritt zuzustimmen.
Wenn nun Bundeskanzler Schröder Widerstand ankündigt, geht es ihm um Details. So sollten aus seiner Sicht Wohlfahrtsverbände nicht durch ausländische Dumpinganbieter unterboten werden können. Das mag zwar so gerecht und ehrenwert klingen, dass man fast reflexhaft zustimmen muss. Aber es stellt sich die Frage, ob nicht mehr Wettbewerb auch diesem Bereich gut täte – wo wir doch gerade bemüht sind, die explodierenden Kosten des Gesundheits- und Pflegewesens zu bewältigen.
So kann man dem Iren McCreevy, dessen Heimat sich dank konsequenter Liberalisierung vom Armenhaus zum Boomland Europas entwickelt hat, nur wünschen, dass er sich zumindest im Grundsatz durchsetzt.