Meinung: Wir wollen alles
Der „konservative Feminismus“ kann der Union zu einem neuen Frauenbild verhelfen
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Vielleicht sollte man einen Augenblick innehalten in der hitzig gefochtenen Schlacht um Krippenplätze, Kindeserziehung, Unterhaltsansprüche und Familienmodelle und die Sinnfrage stellen: Was wollt Ihr eigentlich, Ihr modernen Frauen? Verblüffend einfach ist die Antwort: Nach Jahrhunderten der Unterordnung, der Selbstdefinition als gute Ehefrau und Mutter, nach Jahrzehnten feministischen Befreiungskampfes lautet sie schlicht: Alles!
Wer eine solche Ganzheit im Anspruch zum Ausgangspunkt seines familienpolitischen Handelns macht, der hat es freilich nicht leichter damit, die richtigen Rezepte zu finden. Schließlich fällt Politik gezwungenermaßen globale Entscheidungen. Und „Alles!“ heißt nicht, dass alle Frauen alles wollen und man es somit einer jeden recht machen kann. „Alles!“ jedoch hat den Charme, viele mitnehmen zu können, und hebt sich damit wohltuend vom separatistischen Kampf der Geschlechter und Familienpolitiker vergangener Zeiten ab.
Jawohl, Frauen wollen (und können) studieren, 40 Stunden in der Woche arbeiten und im besten Fall auch ganze Länder regieren. Sie können es nicht überall auf der Welt, aber hierzulande gilt ein Dank den Feministinnen der vergangenen 30 Jahre. Allerdings reicht das nicht, wie seit Wochen im medialen Stellungskrieg von Rabenmüttern und Heimchen zu sehen ist. Denn über all den qualitativ und quantitativ errungenen Siegen im Gleichstellungskampf ist allzu leicht in Vergessenheit geraten, was Frauen eben auch sind, nämlich konservativ. Und zwar im besten Wortsinn: Frauen wollen stabile Partnerschaften, sie wollen Kinder. Die Ehe als unmittelbarster Ausdruck dauerhaften Zusammengehörigkeitsgefühls und das Streben einer Mutter nach fürsorglicher Wärme für die eigenen Kinder, das sind keine auslaufenden Phänomene der Nachkriegszeit, zelebriert von einer kleinen Gruppe Ewiggestriger. Sie sind die modernen Begleiterscheinungen der weiblichen Emanzipation und populärer denn je in allen sozialen Schichten. Es wird Zeit, dass das in den Frontreihen des Streits über Familienpolitik endlich anerkannt wird. Denn erst dann gibt es die Chance, über politische Rezepte zu entscheiden, ohne dies- oder jenseits des Schützengrabens blutige Opfer zu hinterlassen.
Mag sein, dass das Wort vom „konservativen Feminismus“, das Familienministerin Ursula von der Leyen gerade als „spannenden Begriff“ bezeichnet hat, solche Brücken bauen kann. Allein deshalb, weil er Frauen, die ihr Bestes im Beruf geben, nicht abspricht, ihr Bestes auch für die Kinder und die Familie geben zu wollen. Und andersherum Frauen, die ihren Nachwuchs keiner staatlich geprüften Erzieherin anvertrauen möchten, aus der traditionellen Heimchenecke herausführt.
Wem das gelingt, dem sollte auch nicht bange werden, die aktuellen Fragen der modernen Familienpolitik zu beantworten. Ein bisschen mehr Splitting, wie viele Krippenplätze oder ein bisschen weniger Unterhalt im Scheidungsfall, das sind dann eher technische Fragen. Moderne Frauen sollten sich nicht wieder im Ideologiekrieg zerreiben. Schließlich wollen wir nicht nur, wir können auch: Alles!
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