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Von Ruth Ciesinger: Zweifelhafte Führung

Statt Kriegsdrohungen sollte Afghanistans Präsident lieber sein Land demokratisieren

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W er mit dem Rücken zur Wand steht, wird schon mal laut, und genau das tut Hamid Karsai. Nach einem demütigenden Wochenende schlägt Afghanistans Präsident verbal um sich, als ob ihn eine quasi Kriegserklärung an den ungeliebten Nachbarn Pakistan retten könnte. Menschlich nachvollziehbar ist das: Karsai, gerade von der Geberkonferenz in Paris zurückgekehrt, ist zusammen mit seinem gesamten Sicherheitsapparat am Sonntag zutiefst blamiert worden. Taliban haben in Kandahar, der früheren Hauptstadt des Landes, das örtliche Gefängnis erst halb in die Luft gebombt und dann mehr als 800 Häftlinge befreit.

Doch politisch bringt dem Präsidenten seine Kraftmeierei, die Taliban nun auch auf pakistanischem Gebiet ausräuchern zu wollen, gar nichts. Karsai macht nur ein ohnehin angespanntes Nachbarschaftsverhältnis kritischer und die Schwäche seiner Sicherheitskräfte noch deutlicher. Seine Armee wäre ohne US-Unterstützung zu solchen Aktionen gar nicht in der Lage. Die Amerikaner aber operieren bereits – wohl mit dem Einverständnis der Regierung in Islamabad – im Grenzgebiet.

Doch der Sturm auf das Gefängnis von Kandahar zeigt mehr als einen hilflosen Präsidenten, der im kommenden Jahr unbedingt wieder gewählt werden will. Er ist ein Beispiel für vieles, was schief läuft, und für das, was besser gemacht werden muss, bevor es zu spät ist.

Es kann sein, dass einige in Kandahar gar nicht so unzufrieden sind über den Angriff auf das Gefängnis. Folter soll an dem Ort nichts Ungewöhnliches gewesen sein, sexuelle Übergriffe ebenso. Im Mai hatten hunderte Häftlinge revoltiert – sie seien zu Geständnissen gezwungen worden, Anhänger der Taliban zu sein, sagten sie. Der Gouverneur der Provinz wiederum ist oft heftig von den dort aktiven Kanadiern kritisiert worden – weil er in kriminelle Machenschaften verwickelt sein soll.

Ein Rechtsstaat, der nicht funktioniert, korrupte und kriminelle Beamte, die von der Führung in Kabul einer Region aufgepfropft werden – das sind zwei der Grundübel, weshalb die Hoffnung der Afghanen in eine bessere, demokratische Zukunft seit 2002 kontinuierlich schwindet. Gänzlich fatal ist es, wenn solch zweifelhafte Figuren und deren Privatarmee auch noch von internationalen Akteuren gestützt werden.

Will der Westen Afghanistan aber nicht verlieren, sind Dezentralisierung sowie Bekämpfung von Korruption und Kriminalität so essentiell wie die Abkehr vom Versuch, den Aufständischen mit rein militärischen Mitteln beizukommen. Das allein treibt die Afghanen nicht zurück in die Arme der internationalen Gemeinschaft. Und am Sonntag haben die Taliban ohnehin gezeigt, dass sie dafür viel zu gut aufgestellt sind.

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