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Karen Gomyo wurde 1982 in Tokio geboren und wuchs in Kanada auf.

© promo

Pianosalon Christophori: Szenen einer Ehe

Konzentration und Intensität: Die Violinistin Karen Gomyo und der Pianist Julien Quentin beeindrucken im Berliner Pianosalon Christophori.

Von Frederik Hanssen

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Für diesen Abend hat er den Bösendorfer-Flügel ausgewählt. Auf der Holzbohlen-Bühne des Pianosalons Christophori stünde auch ein Instrument der Firma Steinway bereit, doch für das, was Julien Quentin an diesem Donnerstagabend in der Weddinger Industriehalle vorhat, passt der Bösendorfer besser. Bei Mozarts Sonate für Klavier und Violine C-Dur geht es ihm vor allem um klangliche Klarheit und interpretatorische Geradlinigkeit, er will die Linien nicht verwischen, reiht die Noten wie Perlen auf eine Schnur.

Der Violinstimme kommt in dem 1778 entstandenen Stück nur eine Nebenrolle zu, Karen Gomyo fügt sich mit ihrer Stradivari geschmeidig in die Strukturen ein, spielt auf einem Atem mit dem Pianisten, bis sie dann ihren großen Moment hat, im Mittelteil des langsamen Satzes, wenn sie in den Vordergrund treten darf, mit einer sehnsuchtsvollen, innig ausgesungenen Melodie.

Atmosphärisch suggestiv

Dass der 1974 in Paris geborene Pianist dem matt glänzenden Bösendorfer-Klang den Vorzug vor dem metallisch-brillanten Steinway-Sound gibt, hat auch mit seinem interpretatorischen Ansatz für Ernest Chaussons „Poème“ zu tun. Bekannt ist dieses Gedicht für Geige vor allem in der Orchesterfassung: Hyperromantische Klangwogen umspülen dabei die Solovioline. Quentin nimmt bewusst das Pathos aus der Partitur, spielt nüchtern, doch atmosphärisch suggestiv und schafft so eine ideale akustische Bühne, auf der Karen Gomyo im Scheinwerferlicht stehen kann.

Der Pianist Julien Quentin wurde 1974 in Paris geboren.

© Julien Mignot

Ganz groß macht die 40-jährige Kanadierin jetzt ihren Geigenton, gestaltet den hochemotionalen Monolog mit einer packenden Intensität, die beim Publikum sofort das Kopfkino in Gang setzt. Dieselbe Konzentration wird später auch César Francks große Violinsonate prägen. Gemeinsam mit Julien Quentin durchlebt Karen Gomyo Szenen einer Ehe, schwelgt in Verliebtheit, geht durch emotionale Stürme. Auf faszinierende Weise bleibt das fiktive Paar dabei ganz privat - weil die Interpreten so aufeinander fokussiert sind, dass sie keine Sekunde daran denken, irgendwelche special effects für die Leute im ausverkauften Saal einzubauen.

Von Corona-Einsamkeit und Lockdown-Wut erzählt Samuel Adams „Diptych“, das hier in deutscher Erstaufführung erklingt: Einsam wandelt die Sologeige, setzt Fragezeichen, strebt aufwärts, immer eindringlicher, bleibt stecken, scheint zu resignierten. Mit Klopfzeichen tritt das Klavier hinzu, zusammen verfallen sie in manisches Kreiseln. Eine verdammt harte Zeit war das, besonders für Künstler.   

Am 29. und 30. Januar 2023 wird Julien Quentin im Pierre Boulez Saal zu erleben sein, dann mit dem Geiger Yamen Saadi.

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