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Politik: … die Superstars stempeln gehen

Man möchte nicht in der Haut unserer Fernsehsendungserfinder stecken. Kaum haben sie ein rattenscharfes neues Konzept (Sex!

Man möchte nicht in der Haut unserer Fernsehsendungserfinder stecken. Kaum haben sie ein rattenscharfes neues Konzept (Sex! Casting! Hugoegonbalderjury!) entwickelt, da wird es ihnen schon unter den Händen weggesendet, fällt bei den Quotenmessungen durch und wird von der BildZeitung für erledigt erklärt. „Big Brother“ läuft zwar noch irgendwo, aber keiner sieht mehr zu, und vermutlich werden Archäologen in ein paar Jahrhunderten in der Nähe des Rheins einen rostigen Container öffnen und darin die Gebeine der Insassen entdecken, die von der Sendeleitung einst panisch aufgegeben wurden, als sich die Quoten dem negativen Bereich näherten. Holla! werden Sie jetzt sagen, das mag ja angehen, soweit es die leicht asozialen Dumpfdimpfl aus Big Brother angeht. Aber was ist mit unseren Superstars, jenen spitzenmäßigen Sangesartisten, die aus Millionen von talentierten jungen Deutschen ausgewählt und dazu bestimmt wurden, fürderhin Ruhm und Reichtum... also: den zukünftigen Sinatras und Dions deutscher Zunge?

Tja: Die ersten sind soeben von der Plattenfirma gefeuert worden, weil ihre vermeintlichen Hits bleiern in den Regalen ruhen, Gracia, Juliette, die sie die deutsche Madonna nannten, und Vanessa, das Igelschnäuzchen. Selbst Daniel K. ist offenbar nicht mehr sicher – eine veritable Superstardämmerung also. Eine Weile werden die jungen Menschen noch durchstehen mit dem, was man in ihrer Lage so tut: Fotos von der Busenvergrößerung verkaufen, sich immer wildere Piercings anlöten, notfalls auch an öffentlichen Darmspiegelungen teilnehmen oder Inge Meysel beleidigen. Doch bald, Superstars, hört nur noch der Sachbearbeiter beim Arbeitsamt, Buchstabe S, eure Stimme. Und auch der tut es nicht gern.

Sogar das Buch zum Thema ist schon da: „Abstieg eines Superstars“ heißt es, ein großer Bestseller. Bitte? Das handelt von Deutschland? Als Ganzem? Dann eben nicht. Unser leitendes politisches Personal zumindest muss einen derartigen Abstieg nicht befürchten, nicht einmal dann, wenn sich die Wählerzahlen dem Absatz von Vanessas „Ride with me“ – 40000 Stück – nähern sollten. Gerhard Schröder, dessen letzter Hit „Ich will hier rein“ fast vergessen ist, wird als großer Entertainer immer was finden, zum Beispiel als Mitspieler in „Genial daneben“. Hoffen wir nur für ihn, dass solche Sendungen nicht vor der Zeit verschwinden. Sonst muss er am Ende auch noch Inge Meysel beleidigen. bm

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