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Politik: ... es Porsches regnet

Wer heute aus dem Fenster schaut, wird es nicht bemerken. Trotzdem ist heute ein Aktionstag, ein europäischer sogar, und zwar der mit dem Namen „In die Stadt ohne mein Auto“.

Wer heute aus dem Fenster schaut, wird es nicht bemerken. Trotzdem ist heute ein Aktionstag, ein europäischer sogar, und zwar der mit dem Namen „In die Stadt ohne mein Auto“. Hält sich aber wieder keiner dran.

Schauen wir lieber nach Paris. In Paris stellt heute Ferdinand Porsche, respektive sein Nachfolger mit dem nicht minder schönen Namen Wendelin Wiedeking, den neuen Boxster vor. Der alte Boxster wurde mal als Billigvariante gehandelt, als Einstiegsmodell für viel teuerere Porsches. Dieser Boxster S war für 49 912 Euro zu haben, inklusive Mehrwertsteuer und exklusive Extras. Bevor der Osten jetzt wieder aufstöhnt, was der Westen so als billig betrachtet, sei erwähnt, dass Latifundien im Osten auch nicht viel billiger sind und dass der Boxster zuletzt arg floppte. Von August 2003 bis Mai 2004 gingen nur 10 490 Autos dieses Typs über die Ladentheke, lächerlich, da kann man nicht wirklich von einem BoxsterGefälle von West nach Ost sprechen.

132 959 Porsches sind in Deutschland gemeldet und, zugegeben, davon weniger als hundert in den neuen Bundesländern. Aber, großer Gott, 10 490 Boxster-Neukäufe nur, wenn das nicht schon gewaltige gesamtdeutsche Verarmung ist. Außerdem ist noch völlig offen, ob sich irgendetwas am Wahlverhalten etwa der sächsischen Schweiz ändern würde, wenn es dort Porsches regnete.

Was nun den Luxus angeht, die Opposition der Verarmung, so hält die Volkswirtschaftslehre eine verständliche Definition bereit. Luxus ist demnach die Menge der Waren und Dienstleistungen in einer Gesellschaft, deren Konsum in einem Zeitraum um einen Anteil y zunimmt, wenn das allgemeine reale Lohnniveau im selben Zeitraum um Anteil x zunimmt, wobei y >x ist. Man muss wohl heute sagen, dass y viel, viel >x ist. Aber wahrscheinlich sind y und x nur gefühlte Ypsilons und Ixe. Der Porsche-Fahrer, der aus finanziellen Erwägungen auf Volvo umgestiegen ist, fühlt sich wahrscheinlich dramatisch verarmt.

Was aber Luxus genau ist, sagt die Volkswirtschaftslehre auch nicht. Man sagt, Zeit ist Luxus. Das deckt sich mit den Golfspielern, deren Handicap gleich ihren Wochenarbeitsstunden sein soll. Wer also ein Handicap 20 hat, ist demnach eine ziemlich faule Socke. Franz Beckenbauers Handicap liegt unter Zehn, aber das ist jetzt eine andere Geschichte. Luxus ist die Freiheit, kein Handy zu besitzen. Und die Freiheit, Fahrrad statt Auto zu fahren. Wenn man heute, am Aktionstag „In die Stadt ohne mein Auto“ aus dem Fenster schaut, sieht man nur wenige Fahrräder und sehr viele Handys. Wir sind ein Volk von armen Schluckern.uem

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