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Politik: 1. September 1939 – 8. Mai 1945

Seit 23 Uhr 01 schweigen offiziell in ganz Europa die Waffen. Die Katastrophe des 20. Jahrhunderts ist zu Ende. Ein Blick zurück – und nach vorn

Der Zweite Weltkrieg ist vorbei. Europa liegt in Trümmern. Mindestens 56 Millionen Menschen sind tot. Auf den folgenden Seiten lesen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, Geschichten von dem, was zu Ende ging, was begann und wie wir uns an die größte Katastrophe der Menschheit im 20. Jahrhundert erinnern.

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Am Ende ging alles ganz schnell. Die offizielle Zeremonie zur Unterzeichnung der militärischen Kapitulationsurkunde im Hauptquartier der 5. sowjetischen Stoßarmee in Berlin-Karlshorst am 8. Mai 1945 dauerte keine 15 Minuten – und fand genau genommen am 9. Mai statt, wenige Minuten nach Mitternacht.

In der deutschen Übersetzung des Dokuments heißt es: „1. Wir, die hier Unterzeichneten, die wir im Auftrage der Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht handeln, übergeben hiermit bedingungslos dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditionsstreitkräfte und gleichzeitig dem Oberkommando der Roten Armee alle gegenwärtig unter deutschem Befehl stehenden Streitkräfte zu Lande, zu Wasser und in der Luft.

2. Das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht wird unverzüglich allen deutschen Land-, See- und Luftstreitkräften und allen unter deutschem Befehl stehenden Streitkräften den Befehl geben, die Kampfhandlungen um 23 Uhr 01 mitteleuropäischer Zeit am 8. Mai 1945 einzustellen, in den Stellungen zu verbleiben, die sie in diesem Zeitpunkt innehaben, und sich vollständig zu entwaffnen, indem sie ihre Waffen und Ausrüstung den örtlichen alliierten Befehlshabern oder den von den Vertretern der obersten alliierten Militärführungen bestimmten Offizieren übergeben. Kein Schiff, Seefahrzeug oder Flugzeug irgendeiner Art darf zerstört werden, noch dürfen Schiffsrümpfe, maschinelle Einrichtungen oder Geräte, Maschinen irgendwelcher Art, Waffen, Apparaturen und alle technischen Mittel zur Fortsetzung des Krieges im Allgemeinen beschädigt werden.

3. Das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht wird unverzüglich den zuständigen Befehlshabern alle von dem Obersten Befehlshaber der Alliierten Expeditionsstreitkräfte und dem Oberkommando der Roten Armee erlassenen zusätzlichen Befehle weitergeben und deren Durchführung sicherstellen.

4. Die Kapitulationserklärung stellt kein Präjudiz für an ihre Stelle tretende allgemeine Kapitulationsbestimmungen dar, die durch die Vereinten Nationen oder in deren Namen festgesetzt werden und Deutschland und die Deutsche Wehrmacht als Ganzes betreffen werden.

5. Im Falle, dass das Oberkommando der Deutschen Wehrmacht oder irgendwelche unter seinem Befehl stehenden Streitkräfte es versäumen sollten, sich gemäß den Bestimmungen dieser Kapitulationserklärung zu verhalten, werden der Oberste Befehlshaber der Alliierten Expeditionsstreitkräfte und das Oberkommando der Roten Armee alle diejenigen Straf- und anderen Maßnahmen ergreifen, die sie als zweckmäßig erachten.

6. Diese Erklärung ist in englischer, russischer und deutscher Sprache aufgesetzt. Allein maßgebend sind die englische und die russische Fassung.“

Während im Westen Deutschlands schon seit sechs Monaten die Kampfhandlungen beendet waren, gingen sie andernorts zum Teil noch über den Tag der Kapitulation hinaus. Am 7. Mai kämpften deutsche Truppen noch in Kurland, an der Ostseeküste von Danzig bis Königsberg, in Mecklenburg und in Prag. Noch immer evakuierte die Kriegsmarine Flüchtlinge über die Ostsee.

Kopenhagen und Oslo waren als letzte europäische Hauptstädte von deutschen Soldaten besetzt. Die meisten dieser Einheiten ergaben sich am 8. Mai, am folgenden Tag sind es die Festungen an der französischen Atlantikküste und die britischen Kanalinseln. Über 200000 Mann ergaben sich am 10. Mai in Kurland.

Am 14. Mai kapitulierte schließlich in Ostpreußen der letzte geschlossene Großverband der Wehrmacht. In Slowenien streckten am folgenden Tag 150000 Wehrmachtssoldaten vor Jugoslawen und Russen die Waffen, nachdem die Briten in Kärnten ihre Kapitulation nicht angenommen hatten. Sie gehörten zu jener Hälfte des Ostheeres, der es kurz vor und nach Kriegsende nicht mehr gelang, der sowjetischen Gefangenschaft zu entgehen.

Im letzten Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW), der am 9. Mai um 20 Uhr 03 vom Reichssender Flensburg gesendet wird, heißt es unter anderem: „Seit Mitternacht schweigen nun an allen Fronten die Waffen. Auf Befehl des Großadmirals hat die Wehrmacht den aussichtslos gewordenen Kampf eingestellt. Damit ist das fast sechsjährige heldenhafte Ringen zu Ende. Es hat uns große Siege, aber auch schwere Niederlagen gebracht. Die deutsche Wehrmacht ist am Ende einer gewaltigen Übermacht ehrenvoll unterlegen.“

Aber auch am 8. Mai 1945 war die Welt vom Frieden noch weit entfernt. Im Pazifik ging der Krieg zwischen Japan und den USA unvermindert weiter – und wurde erst durch den Einsatz einer neuen Technologie beendet, die auch die Nachkriegszeit über Jahrzehnte bestimmt hat. Die Atombomben der Amerikaner auf die Städte Hiroshima am 6. August und Nagasaki am 9. August sowie die zwischenzeitliche Kriegserklärung der Sowjetunion an Japan drängten den Inselstaat am 14. August zur Kapitulation. Die Unterzeichnung der entsprechenden Urkunde am 2. September 1945 beendete auch im Pazifik die Kampfhandlungen. lha/Foto: Ullstein

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