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Politik: Agrarreform: "Kein Verbraucherschutz ohne Umweltschutz"

Andreas Troge (50) ist seit 1995 Präsident des Umweltbundesamtes in Berlin. Zuvor arbeitete er fünf Jahre lang als dessen Vizepräsident.

Andreas Troge (50) ist seit 1995 Präsident des Umweltbundesamtes in Berlin. Zuvor arbeitete er fünf Jahre lang als dessen Vizepräsident. Er hat sich als Umweltreferent beim Bundesverband der Deutschen Industrie auf seine Aufgabe vorbereitet. Troge weiß aus jahrelanger Anschauung, welche Umweltschäden die konventionelle Landwirtschaft hinterlässt.

Sie fordern schon lange eine Neuorientierung der Landwirtschaft. Was verstehen Sie unter Vorsorge?

Vorsorge bedeutet, Gefahren im Vorfeld abzuwehren. Die BSE-Krise hat uns eines gelehrt: Wer Probleme großen Ausmaßes erst angeht, wenn sie akut geworden sind, der lernt nur pathologisch.

Einige Bundesländer haben mit ihren Qualitätszeichen für die Landwirtschaft versucht, diese Richtung einzuschlagen. Was ist da schief gegangen?

Es ist immer die Frage, ob der Staat den Produzenten das Siegel aufgedrängt hat, oder ob es ein eigenes ist. Wenn ein solches Label gegen die Produzenten durchgesetzt wird, ist der Umgehungsanreiz außerordentlich groß. Der Markt ist überall, aber die konkrete Kenntnis aller Stoffströme, die zum Produkt führen, ist nirgends gebündelt. Wir haben einen Markt, der eine Arbeitsteilung weltweit organisiert, aber eben nur hinsichtlich Menge, Preis und einer angenommenen Qualität. Sie können über die vielen Produktionsstufen in der globalen Wertschöpfungskette nicht mehr nachvollziehen, was da alles passiert ist. Wenn Sie heute einen Apfel essen, dann wissen sie nicht, wie viel Pflanzenschutzmittel eingesetzt wurden oder wie viel Kinderarbeit drin steckt. Das Problem für ein Gütesiegel ist nun, zu entscheiden, welche fünf oder höchstens zehn Indikatoren einen möglichst großen Vertrauensbereich abdecken. Denn wir wollen keine Beipackzettel für Äpfel lesen, wenn wir einkaufen gehen.

Sind die Zeichen nicht durch die BSE-Krise ohnehin diskreditiert?

Sicherlich nicht alle, zum Beispiel nicht die für den ökologischen Landbau, die ich für seriöse Siegel halte. Aber das wird für die Verbraucheraufklärung nicht reichen. Wir werden bei allen Anstrengungen, den ökologischen Landbau auszuweiten, auf Jahre hinaus mehr als 90 Prozent konventionell bewirtschaftete Fläche haben. Auch hier muss umweltverträglich produziert werden.

Und das dient dann dem Verbraucherschutz?

Umwelt- und Verbraucherschutz sind Zwillinge. Doch wir müssen uns klarmachen, dass der Umweltschutz durchaus hinten runterfallen könnte, wenn wir uns allein auf den Verbraucherschutz kaprizieren. Der Verbraucherschutz verhindert, dass Schadstoffe fahrlässig bei der Produktion in Erzeugnisse hereinkommem, die nicht rein sollen. Der Umweltschutz dagegen ist eine notwendige Voraussetzung dafür. Ein Beispiel: Anfang der achtziger Jahre verbreiteten Industrie und Straßenverkehr großflächig Schwermetalle in der Landschaft. Zudem emittierte die Industrie zu viel Schwefeldioxid, was zu einer Versauerung der Böden führte. All das hätte bewirkt, dass Pflanzen verstärkt Schwermetalle aufgenommen hätten, wenn die Landwirtschaft nicht verstärkt der Versauerung entgegengewirkt hätte. Bei einem solchen Problem kommt man mit reinem Verbraucherschutz nicht weiter. Wer Umweltschutz ohne Verbraucherschutz betreiben will, liegt genauso falsch wie umgekehrt.

Wie stellen Sie sich eine Ökologisierung der Landwirtschaft vor?

Die Landwirtschaft belastet heute in vielfältiger Weise die Umwelt. Beim Wasser ist die Landwirtschaft in Europa heute eine der größten Quellen von Stickstoff. Das sind vor allem die Düngemittel. Wir haben in der Nordseeschutzkonferenz zugesagt, den Nährstoffeintrag bis 1995 zu halbieren. Beim Phosphor haben wir das erreicht, beim Stickstoff nicht. Der Stand der Technik - in der Industrie entwickelt er sich ständig weiter - wird jetzt für die Landwirtschaft entscheidend. In den nächsten Monaten werden wir uns intensiv darum kümmern müssen, wie wir die so genannte gute fachliche Praxis, also den Stand der Technik, wirklich zu einer guten fachlichen Praxis machen.

Es gibt Leute, die sagen, die einzige Möglichkeit dahinzukommen, ist die Grüne Gentechnik. Was meinen Sie?

Ich leugne nicht, dass mit gentechnisch veränderten Pflanzen womöglich Pestizide eingespart werden können. Doch ist das nicht belegt. Das muss man abwägen. Schwierig wird diese Abwägung aber, weil wir nichts darüber wissen, wie gentechnisch veränderte Organismen längerfristig in der Natur wirken. Ich bin kein Gegner der Grünen Gentechnik. Aber ich mache nicht gerne Experimente, bei denen ich nicht weiß, ob sie nicht letztlich zu Lasten der Umwelt gehen. Deshalb brauchen wir die Dauerbeobachtung von Freisetzungen.

Wie erklären Sie sich, dass wir bei der Ernährung selbst aus Schaden nicht klug geworden sind?

In einigen Fällen hat es ja funktioniert. Aber es zeigt sich jetzt in der BSE-Krise, dass der alte Spruch - Ökologie ist Langzeitökonomie - richtig ist. Wer sich an die Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz nicht hält, fällt auch wirtschaftlich auf die Nase. Das erleben wir jetzt.

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