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Al Qaida bedroht die Christen im Irak und in Ägypten.

© Katharina Eglau

Nach Massaker: Al Qaida bedroht christliche Minderheiten in Irak und Ägypten

Unter den Christen des Nahen Ostens geht die Angst um, seit am Sonntagabend bei dem schwersten Massaker seit Generationen 44 Katholiken und zwei Priester in Bagdad erschossen wurden. Al Qaida kündigt neue Attacken an.

Vor den koptischen Kirchen in Ägypten patrouillieren Polizisten, zu Tausenden packen Gläubige im Irak ihre Koffer. Unter den Christen des Nahen Ostens geht die Angst um, seit am Sonntagabend bei dem schwersten Massaker seit Generationen 44 Katholiken und zwei Priester in der Sayidat al-Nejat Kathedrale in Bagdad erschossen wurden. Für die nächsten Tage bereits kündigte die mit Al Qaida verbündete Terrorgruppe „Islamischer Staat Irak“ (ISI) neue Attentate an - am Tigris, aber auch am Nil. Alle christlichen Kirchen und Einrichtungen, alle Kirchenführer und ihre Anhänger seien „legitime Ziele für die heiligen Krieger“, heißt es in einer Internet-Erklärung der mordenden Eiferer. Den „Götzendienern“, und allen voran „ihrem halluzinierenden Tyrannen im Vatikan” sei gesagt, „das tödliche Schwert wird ihnen so lange im Nacken sitzen, bis sie sich von der hündischen ägyptischen Kirche distanzieren“.

Den koptischen Bischöfen stellten die Terroristen in ihrer Botschaft ein Ultimatum von 48 Stunden. Bis dahin sollen sie zwei angeblich zum Islam konvertierte Frauen freilassen, die nach Überzeugung von Al Qaida in einem Kloster gefangen gehalten würden. Ein Sprecher des koptischen Oberhauptes Shenouda III. wies dies kategorisch zurück – die beiden Ehefrauen koptischer Priester seien weder zum Islam konvertiert, noch halte man sie gegen ihren Willen fest. Die Regierung in Kairo jedenfalls reagiert besorgt, zumal in den nächsten Tagen zwei Millionen Kopten zu einem Heiligenfest in Luxor zusammenkommen.

Im Gottesdienst.
Im Gottesdienst.

© Katharina Eglau

Seit Beginn der Woche werden alle Besucher koptischer Kirchen mit Metalldetektoren abgesucht. Bei einer Reihe von exponierten Gotteshäusern dürfen im näheren Umkreis keine Autos mehr parken. Denn der Al Qaida-Aufruf könnte auch am Nil religiöse Hitzköpfe zu Gewalttaten anstacheln. Der letzte schwere Vorfall liegt weniger als ein Jahr zurück. Anfang Januar erschossen drei muslimische Attentäter in der südägyptischen Ortschaft Nag Hammadi wahllos sechs junge Kirchgänger, als diese nachts aus der Weihnachtsmette kamen.

Die Täter sind zwar gefasst, aber bis heute nicht verurteilt – für die Kopten ein neuerlicher Beleg, dass sie von den ägyptischen Behörden systematisch diskriminiert werden. Umso dankbarer reagierte die Kirchenführung jetzt auf die Solidarität von prominenter muslimischer Seite. Großscheich Ahmed al-Tayyeb, Chef der wichtigsten sunnitischen Lehranstalt Al-Azhar, verurteilte die Geiselnahme in Bagdad als „abscheuliches Verbrechen“. Die Gewalttäter wollten mit ihren Drohungen gegen Ägypten nur Unfrieden unter der Bevölkerung stiften und die nationale Einheit des Landes zerstören, ließ er erklären. Die Muslimbruderschaft in Kairo rief sogar alle Mitgläubigen auf, die Gotteshäuser der Christen eigenhändig zu schützen.

Nachdenkliches Gebet.
Nachdenkliches Gebet.

© Katharina Eglau

Im Oktober erst hatte sich die katholische Kirche in einer historischen Sondersynode mit dem Schicksal der orientalischen Christen befasst. Ob in Irak, Ägypten, Libanon, der Türkei oder Iran, überall fühlten sich die Gläubigen durch das Erstarken des „politischen Islam“ mit seinen „extremistischen Strömungen“ bedroht, hieß es in Rom. Der Orient erlebe eine regelrechte „christliche Entvölkerung“, lautete das besorgte Fazit der 150 Bischöfe und Patriarchen der Region. 17 Millionen Christen leben noch unter den 480 Millionen Muslimen des Nahen und Mittleren Ostens. Überall sind sie in der Minderheit – angefangen von einem Prozent im Iran und in der Türkei, über 2,3 Prozent in Israel und Palästina bis hin zu rund 10 Prozent in Ägypten. Allein im Irak sind seit der amerikanischen Invasion 2003 zwei Drittel der einst 1,2 Millionen Christen ins Exil geflohen. Von den 30 chaldäischen Pfarreien in Bagdad ist mittlerweile nur noch die Hälfte aktiv. „Irak ist unsere Heimat, wir wollen hier bleiben“, sagte der syrisch-katholische Erzbischof Matti Shaba Matoka nach Massaker am Sonntag. „Warum erklären sie uns nicht rundheraus, dass sie den Irak von Christen säubern wollen. Auf betende Menschen zu schießen, das ist absolut barbarisch.”

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