Politik: Am Kap der letzten Hoffnung
Von Wolfgang Drechsler
Stand:
Eine Krise besteht dann“, schrieb einst der italienische Kommunist Antonio Gramsci, „wenn das Alte stirbt und das Neue nicht geboren werden kann.“ In einem solchen Interregnum zwischen Verfall und Neugeburt befindet sich Simbabwe. Das rundum diskreditierte Regime von Robert Mugabe liegt nach 27 Jahren Alleinherrschaft in den letzten Zügen. Das Neue – eine demokratische Ordnung ohne Tribalismus, Vetternwirtschaft, schwarzen Rassismus und Personenkult – erweist sich als schwere und zunehmend blutige Geburt.
Aller Trümpfe beraubt, spielt Mugabe nun seine letzte Karte: Nachdem das Rassismusargument nicht mehr greift, weil die weißen Großfarmer fast alle mit katastrophalen Folgen von ihrem Land vertrieben sind, hetzt er nun die ihm noch immer ergebene Polizei auf die oppositionelle „Bewegung für einen Demokratischen Wandel“ (MDC) und all jene Kräfte, die seine Ablösung fordern. Jeder Funken von Protest wird brutal erstickt. MDC-Führer Morgan Tsvangirai ist in Polizeigewahrsam zusammengeschlagen worden. Mit seiner harten Politik macht Mugabe deutlich: Einen friedlichen Machtwechsel wird er nie zulassen, Kompromisse lehnt er ab. Für ihn, wie für so viele andere afrikanische Potentaten, ist die Demokratie ein Nullsummenspiel, in dem es nur Sieger oder Besiegte gibt.
Dass Mugabe sich derart diktatorisch gebärden kann, hat spezifisch afrikanische Gründe. Bis heute haben die Nachbarstaaten die mutwillige Selbstzerstörung des einstigen afrikanischen Musterstaates in einer falsch verstandenen schwarzen Solidarität geduldet. Viele auch deshalb, weil sie befürchten, sie selbst könnten eines Tages genötigt sein, die Macht an die Opposition abzugeben – ein in Afrika geradezu revolutionärer Gedanke, weil die „Befreier“ von einst glauben, nach dem Abschütteln des Kolonialjochs einen Blankoscheck auf die Macht zu haben. Doch gegen den Staatsterror der Machthaber in Harare hat die von Mugabe systematisch zerstörte Zivilgesellschaft in Simbabwe nur dann eine Chance, wenn der Diktator endlich mehr Druck aus Afrika spürt. Seinen „schwarzen Brüdern“ kann er, anders als dem Westen, keinen Rassismus und permanente Bevormundung unterstellen.
Eine Schlüsselrolle fällt deshalb Südafrikas Präsidenten Thabo Mbeki zu, dessen angeblich „stille Diplomatie“ versagt und Mugabe nur zu immer dreisterem Verhalten ermuntert hat. Selbst jetzt, wo die wehrlose Opposition von den Schergen Mugabes aufs übelste malträtiert wird, hüllt sich Mbeki in Schweigen und lässt nur wissen, Simbabwe müsse seine internen Probleme selber lösen. Dabei verlangt die geknechtete schwarze Opposition in Simbabwe von dem erst vor zwölf Jahren am Kap an die Macht gelangten Afrikanischen Nationalkongress (ANC) nichts anderes, als für jene Werte einzustehen, die der früheren Widerstandsbewegung im Kampf gegen die Apartheid angeblich so viel bedeuteten.
Aber auch Deutschland als Gastgeber des nächsten G-8-Gipfels kann aus Simbabwe Lehren ziehen: Das frühere Rhodesien zeigt nämlich exemplarisch, dass Afrikas Krisen und Kriege heute fast alle hausgemacht sind. Sie entspringen zuvorderst eigenen Fehlleistungen und sind nicht durch mehr Geld zu lösen, wie Afrika es im Vorfeld des Gipfels erneut einfordert. Mugabe liefert stattdessen das beste Anschauungsmaterial dafür, wie eng Rassismus, Demokratieverlust und Unterentwicklung verwoben sind.
Eines haben Simbabwe und Südafrika bereits jetzt gemeinsam: Der Masse geht es am Kap heute ökonomisch trotz des Wirtschaftsaufschwungs kaum besser als unter der Apartheid. Die unteren 50 Prozent sind sogar noch ärmer geworden. Umso mehr beunruhigen die zunehmende Machtarroganz der ANC-Führung, das Verwischen der Grenze von Partei und Staat, aber eben auch die erschreckende Gleichgültigkeit des ANC gegenüber dem Leid der Menschen im benachbarten Simbabwe. Sie ist womöglich ein weiteres Indiz dafür, dass Südafrika, Austragungsort der nächsten Fußball- WM, nur zwölf Jahre nach dem Ende der Apartheid einen Weg beschritten hat, der zwar nicht wie in Simbabwe enden muss, der aber so enden kann.
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