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Politik: Am Kreuzweg

KIRCHE UND KRIEG

Von StephanAndreas Casdorff

Die Kirchen als Trostspender in harter Zeit: Was banal klingt, bestenfalls aus ihrem Selbstverständnis heraus logisch, gewinnt eine doppelte Bedeutung in diesen Tagen. Denn nicht nur, dass sich die Kirchen mit den von ihnen getragenen Demonstrationen und ökumenischen Gottesdiensten plötzlich wieder mitten ins Leben begeben – sie stehen mitten in der Politik. Kirche kommt heraus aus dem Schatten der Dome.

Die evangelischen und katholischen Spitzen, Kock und Lehmann, waren gestern zu Beratungen beim Kanzler, der deutsche Außenminister steht in engem Kontakt zum vatikanischen Amtskollegen, der katholische Nuntius ist im Irak geblieben, um dort auf Geheiß des Papstes weiter zu verhandeln. Es heißt, er komme noch an Saddam heran. Und in der Welt füllen sich die Gotteshäuser mit bangen Menschen, die hoffen, dass die Kirche ihnen nicht nur Schutz, sondern Hoffnung bietet. Die kann es nur geben, wenn die Kirchen sich in diesem Sinne als Handelnde verstehen: als Mittler zwischen allen Fronten.

Genährt werden muss die Hoffnung durch luzide Haltung. Einen Krieg werden die Kirchen nicht als „gerecht“ akzeptieren. Aber, und das ist der Anspruch, den sie erfüllen müssen: Sie müssen Gerechtigkeit walten lassen gegen jedermann. Das heißt, vorurteilsfrei die Kriterien anzuwenden, wenn auch streng, die besagen, wann Gewalt als Ultima Ratio nicht zu verdammen ist. Gegenwärtig erkennen die Kirchen an, dass sie sich nicht außerhalb der neuen, vom Krieg diktierten Realität stellen dürfen. Sie erkennen außerdem, dass sie profanem Anti-Amerikanismus nicht noch Vorschub leisten dürfen. Deshalb sind, gottlob, die Gebete unpolitisch: Die Katholiken beten den Kreuzweg und den schmerzhaften Rosenkranz, um zu demonstrieren, dass sie sich den Menschen im Irak nahe fühlen.

Krieg wird zwar deutlich kritisiert, aber dass zum Beispiel Bischof Huber in Berlin politisches Handeln der politisch Verantwortlichen fordert, folgt einer anderen Leitlinie. Was die Menschen auf den Straßen eint, eint die großen Kirchen. Sie haben gemeinsam den Wunsch, dass der Krieg so schnell wie möglich zum Ende kommen solle. Doch vorrangig wird jetzt, die Zeit danach zu bedenken. Was Huber und andere predigen, ist auch so zu lesen: Wenn der Automatismus militärischen Handelns stoppt, muss gleichsam automatisch humanitärer Pragmatismus einsetzen, um eine menschliche Katastrophe im Irak zu verhindern. Nicht zuletzt mit den kirchlichen Hilfswerken.

Verbunden, wie sich am gemeinsamen Besuch von Lehmann und Kock beim Kanzler zeigt, und weltumspannend politikfähig – so lässt sich trefflich Einfluss nehmen. Auch in kommender Zeit: Zum Kampf gegen die humanitäre Katastrophe kommt die Suche nach einer Nachkriegsordnung, die das Verhältnis der westlichen Welt zum Mittleren Osten mit seiner mehrheitlich muslimischen Bevölkerung auf eine neue Grundlage stellt. Denn nicht nur im Irak leben Christen. Und nicht nur im Irak gilt es dem Eindruck zu wehren, die westliche Welt suche die wirtschaftliche, politische und kulturelle Dominanz. Da können dann, nach diesem Krieg, die Kirchen mit Ideen als friedliche Großmacht wirken. Das zum Trost.

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