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Der NSU-Prozess am Oberlandesgericht in München ist reich an bizarren Details.

© Matthias Schrader/dpa

Anklage wegen Urkundenfälschung: Anwalt vertrat im NSU-Prozess ein Phantom

Nur eine bizarre Facette des NSU-Komplexes: Ein Eschweiler Jurist vertrat vor Gericht eine Mandantin, die nie existierte. Jetzt wurde gegen den Mann Anklage erhoben.

Von Frank Jansen

Das NSU-Verfahren ist reich an bizarren Details, doch eine Geschichte sticht heraus – und dürfte nun für einen Anwalt üble Folgen haben. Die Staatsanwaltschaft Aachen hat Anklage erhoben gegen den Eschweiler Juristen Ralph W., der im Prozess am Oberlandesgericht München eine Nebenklägerin vertrat, die es gar nicht gab. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat sich der Anwalt des Betruges in einem besonders schweren Fall schuldig gemacht.

Die Behörde wirft Ralph W. zudem Urkundenfälschung und eine falsche eidesstattliche Versicherung vor. Der Anwalt hatte, wie berichtet, an 232 Prozesstagen eine „Meral Keskin“ vertreten, die angeblich beim Bombenanschlag des NSU in der Kölner Keupstraße im Juni 2004 verletzt wurde.

Im Oktober 2015, knapp zweieinhalb Jahre nach Beginn des Prozesses, kam heraus, dass Meral Keskin nicht existiert. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte die Phantomfrau als Zeugin geladen. Ralph W. musste schließlich zugeben, die Mandantin nicht zu kennen.

Der Anwalt behauptete dann, er sei auf einen „Vermittler“ hereingefallen. Immerhin hatte Ralf W. bis Oktober 2015 mehr als 210.000 Euro Sitzungsgelder von der bayerischen Justizkasse angenommen. Und 5000 Euro vom Bundesamt für Justiz als Härtefallentschädigung für seine angebliche Mandantin.

Verlust der Zulassung als Anwalt möglich

Die Staatsanwaltschaft hält Ralph W. auch vor, im Verfahren zur tödlichen Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg versucht zu haben, sich mit einer falschen Geschichte die Zulassung als Nebenklagevertreter zu erschleichen. Der Anwalt soll Angehörige seines Mandanten angestiftet haben, diesem Schlafstörungen zu bescheinigen.

Ralph W. steht darüber hinaus in Verdacht, ein weiteres Opfer des Unglücks überredet zu haben, ihm eine Blankovollmacht auszustellen. Diese soll der Anwalt dann ohne Wissen der Frau einem Kollegen überlassen haben.

Ralph W. kam mit den Geschichten allerdings nicht durch. Das Landgericht Duisburg lehnte die Anträge des Anwalts und seines Kollegen ab, für den Prozess gegen zehn Angeklagte zugelassen zu werden. Sollte Ralph W. nun wegen der Vorwürfe verurteilt werden, droht ihm auch der Verlust seiner Zulassung als Anwalt.

Verfahren gegen aktenschreddernden Verfassungsschützer eingestellt

Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft Köln das Verfahren gegen einen ehemaligen Referatsleiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) eingestellt, der kurz nach dem Ende des NSU im November 2011 mehrere Akten zu V-Leuten schreddern ließ. Der Beamte bekam allerdings eine Geldauflage, er muss 3000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Die Schredder-Aktion hatte enorme Empörung hervorgerufen, im Juli 2012 gab der damalige BfV-Präsident Heinz Fromm seinen Posten auf.

In den vernichteten Unterlagen ging es um sieben rechtsextreme V-Männer aus Thüringen, die der Verfassungsschutz angeworben hatte. Ob die Spitzel Verbindungen zu den NSU-Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sowie zu ihrer mutmaßlichen Komplizin Beate Zschäpe hatten, ist unklar.

Die Kölner Staatsanwaltschaft geht zwar davon aus, dass der BfV-Beamte mit der Schredderei „Verwahrungsbruch“ begangen hat, hält es aber für nicht nachweisbar, dass die zerstörten Akten Details zum NSU enthielten.

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