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Die Tatwaffe. Mit diesem Messer stach am 4. Oktober ein Islamist in Dresden auf zwei Touristen aus Nordrhein-Westfalen ein.

© Roland Halkasch/dpa

Exklusiv

Sächsischer Verfassungsschutz unter Druck: Attentäter von Dresden wurde zu wenig observiert

Obwohl Abdullah Al H. H. als gefährlich bekannt war, unterblieb nach seiner Haft eine intensive Überwachung. Der Islamist nutzte die Lücke für einen Mord.

Von Frank Jansen

Im Fall des tödlichen Attentats eines Islamisten auf einen Touristen in Dresden hat der sächsische Verfassungsschutz offenbar Fehler gemacht. „Der Tatverdächtige wurde während der Tatausübung am 4. Oktober weder am Tatort noch in dessen Umfeld nachrichtendienstlich observiert“, teilte eine Sprecherin des Nachrichtendienstes am Montag auf Anfrage des Tagesspiegels mit. Sie gab auch zu, dass der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Dirk-Martin Christian, gegenüber Medien missverständliche Angaben machte.

Verfassungsschutzchef erweckt falschen Eindruck

Christian bedauere sehr, „dass durch seine Äußerungen auf der Pressekonferenz am Donnerstag der Eindruck entstanden ist, Mitarbeiter des LfV hätten die Tatausführung möglicherweise live beobachtet und seien untätig geblieben“. Dies sei „unzutreffend“. Christian hatte gesagt, Observationen seien „auch am 2., 3. und 4. Oktober 2020 durch das LfV durchgeführt worden“.

Täter erst fünf Tage zuvor aus der Haft entlassen

Der Islamist Abdullah Al H. H. hatte am 4. Oktober auf zwei Touristen aus Nordrhein-Westfalen eingestochen. Der ältere der beiden Männer wurde so schwer verletzt, dass er in der Dresdener Uniklinik starb. Am 20. Oktober nahm die Polizei den Syrer fest, die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen. Abdullah Al H. H. war erst fünf Tage vor dem Attentat aus mehr als dreijähriger Haft entlassen worden. Da er weiterhin als Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ galt, vereinbarten Landeskriminalamt und Verfassungsschutz einen engmaschigen „Wirkverbund“, um den Gefährder im Blick zu behalten. Der Verfassungsschutz sollte den Mann observieren und bei einer drohenden Gefahr die Polizei alarmieren. Doch als Al H. H. zustach, war kein Beamter in der Nähe.

Gefährder wurde nur durch "technische Observation" überwacht

Die Überwachung sei schon vor dem Tag der Tat auf eine „technische Observation“ zurückgefahren worden, sagten Sicherheitskreise dem Tagesspiegel. Technische Observation bedeutet, dass mit einer versteckten Kamera der Eingang zur Unterkunft einer verdächtigen Person gefilmt wird. Ein umfassendes „Bewegungsbild“ des auch nach der Haft als gefährlich geltenden Syrers sei angesichts der nur technischen Observation gar nicht gewollt gewesen, hieß es. Das LfV sagte nur, „aus ermittlungstaktischen Gründen sowie aus Gründen des Geheimschutzes“ würden keine weiteren Details zu operativen Maßnahmen bekannt gemacht.

Tatmotiv Hass auf Homosexuelle?

Das Tatmotiv von Al H. H. scheint Hass auf Homosexuelle gewesen zu sein. Der Islamist habe die Touristen womöglich für ein Paar gehalten, hieß es in Sicherheitskreisen.

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