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Wollen Sie dieses Gesicht auf Ihrer Keksdose sehen? Pascale Hugues nicht.

© EUTERS/Jonathan Ernst

Mon Berlin: Auf meine Keksdose passt nur Churchill

Gibt es überhaupt noch Politiker, die man sich als gelungenes Dekor vorstellen kann? Nur die Queen. Und die soll jetzt von Donald Trump besucht werden? No way! Eine Kolumne

Eine Kolumne von Pascale Hugues

Am Rand meines Schreibtischs steht eine Keksdose aus Weißblech. Vor vielen Jahren habe ich sie auf einem Flohmarkt in Liverpool entdeckt. Schon lange beherbergt sie kein schottisches Shortbread und andere digestive biscuits als Begleitprogramm zum Tee mehr. Ich bewahre die Visitenkarten darin auf, die ich in Berlin gelegentlich überreicht bekomme. Den Deckel schmückt ein Porträt von The Rt Hon. Sir Winston Spencer Churchill.

Aufrecht steht der englische Premierminister da, am rechten kleinen Finger der Siegelring mit dem Familienwappen. Die linke Hand ruht in der Taille. Er trägt einen schwarzen Frack, eine dunkelblaue Fliege mit weißen Punkten, ein zum Hemd passendes Einstecktuch. Die Uhrenkette in der Westentasche zieht einen goldenen Strich über seinen Bauch, so wohlgenährt, als hätte er alle Kekse in der Dose auf einmal vertilgt. In Winston Churchills Haltung spiegeln sich Selbstsicherheit und gleichzeitig die wunderbare Nonchalance der alten und sich ihres Rangs sehr bewussten englischen Upperclass. Er muss nichts mehr beweisen. In seinen Augen erkennt man the wit, den leichten und intelligenten Esprit. Er hat das Charisma eines wahren Staatsmannes, der sein Jahrhundert geprägt hat. Nun noch die Zigarre und der Whisky Soda, und das Bild wäre komplett.

Sie hatten was, die Politiker früherer Zeiten!

Solche wie ihn findet man heute nicht mehr, sage ich mir jedes Mal, wenn ich den Deckel hochhebe, um die jüngste Ausbeute an Visitenkarten hineinzulegen. Stellen Sie sich doch mal Donald Trump auf einer Keksdose vor. Im Hintergrund die Goldverzierungen seines Penthouses im Trump Tower? Nein, zu neureich, zu protzig. Oder François Hollande auf einer Schachtel Madeleines. Ein bisschen zu mickrig, unser Präsident. Und selbst wenn er die Hand lässig in die Hüfte stützen würde, hätte er deshalb nicht mehr Format. Auch Angela Merkel auf einer Büchse Weihnachtsplätzchen hätte nicht die gleiche Wirkung wie der alte Churchill. Das hausfrauliche Auftreten Ihrer Kanzlerin ist sympathisch und in diesen Zeiten des auftrumpfenden Narzissmus von einer tröstlichen Bescheidenheit, doch ein wenig lässt es an Schneidigkeit vermissen. Churchill ist ein anderes Kaliber. Wie de Gaulle übrigens. Aber der General mit dem Képi auf einer Dose Macarons? Mit seiner Sittenstrenge assoziierte man alles andere als die Genüsse der Feinschmeckerei. Während Churchill, man sieht das Bild richtig vor sich, es sich bei einer Lammkeule gemütlich macht und dazu einen Bordeaux zwitschert.

Die Verklärung der Vergangenheit bringt uns gar nichts, sie ist eine sterile Spielart der Nostalgie. Aber eins stimmt: Sie hatten was, die Politiker früherer Zeiten. Vor allem waren sie fähig, das ihnen zugewiesene Amt zu verkörpern. Sie sahen ihre Aufgabe darin, ihrem Land zu dienen, und nicht darin, sich die Taschen vollzustopfen. Helmut Schmidt bezahlt Loki für einen Assistentenjob, den sie nie ausgeübt hat? Undenkbar. De Gaulle deponiert sein Geld auf einem Schweizer Bankkonto? Einfach grotesk. Und Churchill sitzt abends im Büro an der Schreibmaschine und tippt Wort für Wort die Gedanken eines anderen ab, um daraus seine berühmten Memoiren zu stricken und mit einem Plagiat den Nobelpreis für Literatur einzustreichen? Nein, wirklich nicht! Die Staatsdiener von einst waren aus einem anderen Holz geschnitzt.

Trump bei der Queen? Undenkbar!

Kein Wunder, dass die Engländer in diesen Tagen auf dem Trafalgar Square gegen den Staatsbesuch von Donald Trump protestieren. Was sie am meisten empört: dass der neue Mieter des Weißen Hauses von der Hausherrin des Buckingham Palace empfangen wird, wie das Protokoll es vorschreibt. Wie sieht das denn aus, Donald Trump bei Königin Elizabeth? Stellen Sie sich die beiden doch mal vor. Eine butterblumengelbe Haarsträhne und ein rosa Hut beim gemeinsamen Tee. A biscuit, Sir?, fragt die Königin. Und Donald versenkt seine kleine Pfote in der Schale, während er mit seinen Heldentaten prahlt, mit seinen göttlichen Gaben, die sein Land und sein Milliardenvermögen vor dem Untergang retten werden. Her Majesty sitzt kerzengerade in ihrem Sessel, ein undurchdringliches Lächeln auf den Lippen. Ein Reigen höflicher Floskeln entströmt ihrem Mund. Oh, that's marvelous! Did you really? Gosh, how fabulous! Auf beeindruckende Weise würde Königin Elizabeth die legendäre britische Selbstkontrolle zelebrieren, und wir könnten den Zusammenprall zweier Welten erleben. Nein, nein, eine Allianz zwischen Trump Tower und Buckingham Palace ist unmöglich. No way!

- Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.

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