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Wo das Volk sonst niemals hinkommt. Gruppenbild im Hof des Präsidentenpalasts.

© REUTERS

Aufstand in Sri Lanka: Wer sein Land verkauft

Korruption zulasten der Bevölkerung, Paläste für die eigenen Leute und wenig für die Masse – der Aufstand gegen das Regime war programmiert. Ein Kommnentar.

Für viele in Europa ist Sri Lanka vor allem eins: ein Urlaubsland mit freundlichen Menschen, ein kleines Paradies nicht weit von Indien. Einige erinnern sich vielleicht noch an den furchtbaren Tsunami, als vor allem in den Tamilengebieten im Norden gerade erbaute Häuser, ja ganze Orte davongeschwemmt wurden. Tagesspiegel-Leserinnen und -Leser haben damals mit Spenden geholfen. Leider machte der weiterhin tobende Bürgerkrieg einen Teil des Wiederaufgebauten von Neuem zunichte.

In den verangenen Jahren wähnten viele Beobachter Sri Lanka auf einem guten Weg. Es ging langsam aufwärts, viele bezogen mittlere Einkommen. Gerade erst war der Tourismusminister auf Werbetour in Deutschland. Denn Urlauber sind eine wichtige Einnahmequelle für den asiatischen Inselstaat mit seinen 22 Millionen Einwohnern.

Das Spitzenpersonal in der Hauptstadt Colombo zeichnete sich allerdings durch einen Hang zur Selbstüberschätzung aus, was das politische Gewicht des Landes betrifft. Und bei allem Sonnenschein schaute die Welt gern über die Probleme im Hintergrund hinweg. Die Aussöhnung zwischen Tamilen und Singhalesen ist noch immer ein schwärendes Thema. Und: Insbesondere der Clan der Rajapaksas, der mit Gotabaya Rajapaksa den Präsidenten stellt, zieht schon lange viel Geld für die eigenen Familien ab.

Korruption zulasten der Bevölkerung, Paläste für die eigenen Leute und wenig für die Masse – der Aufstand war programmiert. Schon vor einigen Wochen kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen. Das Militär reagierte mit Schusswaffen.

Selbst Prestigebauten wie der große Geisterflughafen und das leere Kongresscenter in Hambantota, dem Heimatdistrikt der Rajapaksa-Dynastie, hatten bereits 2015 die Anhänger nicht mehr beeindruckt. Trotz anderer (Wahl-)Versprechen schaffte es die Regierung nicht, die Wirtschaft neu aufzustellen. Prestigehäfen wurden gebaut. China finanzierte mit Krediten – Colombo konnte nicht zahlen. Peking bekam die Häfen daraufhin für 99 Jahre in seine Obhut. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Wo sind sie jetzt, die freundlichen Nachbarn? China braucht die Seezugänge für seine neue Seidenstraße. Das Ziel hat die Supermacht erreicht. Aber braucht sie die Sri Lanker?

50 Milliarden Dollar Auslandsschulden

Colombo steht im Ausland mit 50 Milliarden Dollar in der Kreide. Der Internationale Währungsfonds sollte Hilfe bringen, doch forderte stabile Verhältnisse. Selbst eine Allparteienregierung wird nicht reichen, um das grundlegend Nötige zu ändern. Die Protestierenden haben sich nach der Gewalt beruhigt.

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Seit Sonntag zeigen sie fast märchenhaft die srilankische Variante von „Wir sind das Volk“. Sie besetzen friedlich den Palast, machen sich lustig über „Der Held, der arbeitetet“, den Wahlkampfsong des Präsidenten Song, baden in seinem Pool, sporteln im Gym und picknicken im Garten. Sie wollen sichergehen, dass die Familie wirklich abtritt und Reformen kommen.

Verweiflung hat sie auf die Straße getrieben: Es gibt keine Jobs, aber auch keine Pässe, um das Land zu verlassen. Und ergattert ein Rikschafahrer kostbaren Sprit, kostet der Liter mehr als 1,30 Euro. Die Menschen haben Hunger. Nicht zuletzt der Krieg Russlands gegen die Ukraine setzt den Menschen übers Portemonnaie auch hier zu. 55 Prozent Inflation gibt es, 70 werden erwartet.

Auch der Atomstaat Pakistan begibt sich mehr und mehr in Chinas Seidenstraßen-Hände. Dort hat gerade wieder der Clan der Sharifs die Führung übernommen. Doch bei 45 Grad fällt ständig der Strom aus. Selbst wer einen Ventilator hat, kann ihn nicht nutzen. Viele junge Leute suchen Jobs, die Preise rennen davon. Ihre Zukunft auch? In Pakistan leben 220 Millionen Menschen. Was, wenn sie genug von ihren verkrusteten Strukturen haben? Die Auswirkungen von Putins Kriegsgelüsten und Chinas Machtstreben legen Lunten an noch viel mehr Pulverfässer, als die meisten es sich bisher ausmalen können.

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