Politik: Bayer streicht bei Schering jeden fünften Arbeitsplatz
Weltweit fallen 6100 Jobs weg – allein 1200 am früheren Stammsitz Berlin Konzernchef Higgins sieht deutsche Hauptstadt dennoch als Gewinner
Berlin - Der frühere Schering-Stammsitz in Berlin wird besonders stark vom Stellenabbau betroffen sein, den Bayer in Deutschland plant. Von den 1500 Arbeitsplätzen, die der Leverkusener Pharma- und Chemiekonzern in Deutschland im Zuge der Fusion mit Schering streichen will, entfallen allein 1200 auf die Hauptstadt, wie Bayer am Freitag bekannt gab. Das ist etwa jeder fünfte Arbeitsplatz. Weltweit sollen 6100 Arbeitsplätze wegfallen – und damit 100 mehr als ursprünglich angekündigt.
Der Berliner Betriebsrat sieht damit die Zusage des Bayer-Konzerns, wonach der Jobabbau „fair und ausgewogen“ erfolgen soll, nicht erfüllt. 60 Prozent der Stellen würden bei Schering abgebaut, nur 40 Prozent an Bayer-Standorten, kritisierte Betriebsratschef Norbert Deutschmann. Er drohte nach einer Betriebsversammlung in Berlin mit rund 2000 Teilnehmern Gegenmaßnahmen an. „Wenn wir bis zum 13. März keine Vereinbarung mit Bayer haben, dass die Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut werden, sehe ich den sozialen Frieden in Gefahr“, sagte Deutschmann. Es gebe rechtliche Möglichkeiten, die Verschmelzung zu stoppen.
Bayer hatte Schering im vergangenen Jahr für knapp 17 Milliarden Euro übernommen. Bayer-Chef Werner Wenning hatte zwar gleich zu Beginn der Übernahme vor rund einem Jahr angekündigt, dass nach der Fusion 6000 der insgesamt 60 000 Stellen in der Pharmasparte wegfallen sollen, aber erst gestern bekannt gegeben, wie stark die einzelnen Standorte der neuen Bayer Schering Pharma AG betroffen sein werden. Für den Jobabbau fallen Einmalkosten von einer Milliarde Euro an, ab 2009 sollen dafür jährlich 700 Millionen Euro eingespart werden.
Bis jeder einzelne Mitarbeiter weiß, was auf ihn zukommt, können nach Angaben einer Unternehmenssprecherin noch Monate vergehen. Entsprechend gespannt war die Stimmung auf der Betriebsversammlung. „Da ist viel geredet, aber nichts gesagt worden“, sagte ein Techniker, der seit 32 Jahren bei Schering arbeitet, nach der mehr als zweistündigen Veranstaltung. Detaillierte Angaben, wie stark einzelne Bereiche betroffen sind, hatte Arbeitsdirektor Werner Baumann den Mitarbeitern nach Angaben von Teilnehmern vorenthalten. Sie wurden stattdessen vom Betriebsrat vorgestellt.
Danach wird mehr als die Hälfte der Stellenstreichungen in Berlin (603) auf die Verwaltung entfallen, rund ein Drittel (388) auf Forschung und Entwicklung, 176 Jobs auf die Produktion. Bereits zuvor war bekannt geworden, dass 250 Stellen im Vertrieb wegfallen. Einem Teil der Mitarbeiter sollen Alternativen an Bayer-Standorten in Leverkusen und Wuppertal angeboten werden.
Bayer-Schering-Chef Arthur Higgins sieht dennoch Berlin als Gewinner des Verschmelzungsprozesses. „Der Sieger ist Berlin, der Verlierer sind die USA.“ In den USA sollen insgesamt 1000 Stellen wegfallen, zwei Forschungsstandorte werden geschlossen.
Maren Peters