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Politik: Bedauern ja, Verantwortung nein

Im Dessauer Prozess um den Tod eines Asylbewerbers weisen die angeklagten Polizisten die Vorwürfe zurück

Stand:

Mit Protesten vor der Tür und einer Geste des Bedauerns des Hauptangeklagten hat am Dienstag am Landgericht Dessau der Prozess um den Tod eines Asylbewerbers begonnen, der vor über zwei Jahren in einer Polizeizelle verbrannt ist. Oury Jalloh aus Sierra Leone, damals vermutlich 21 Jahre alt, starb im Gewahrsam der Dessauer Polizeiwache, nachdem Beamte ihn betrunken aufgegriffen und zur Feststellung der Personalien mitgenommen hatten. Der verantwortliche Dienstgruppenleiter Andreas S., der wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen angeklagt ist, erklärte am ersten Prozesstag, er bedauere zutiefst, „dass es mir nicht vergönnt war, das Leben des Herrn Jalloh zu retten“. Verantwortlich für dessen Tod sei er aber nicht.

Bis heute ist im Dunkeln geblieben, wieso Feuer in der Polizeizelle ausbrechen konnte, obwohl der Häftling durchsucht worden war. Die Anklage geht davon aus, dass ein Beamter ein Feuerzeug übersehen hat und Jalloh seine schwer brennbare Matratze angezündet hat. Als die Alarmanlage losging, sei aber noch genug Zeit gewesen, um den Häftling zu retten. „Bei ihm zumutbarer und möglicher pflichtgemäßer, sofortiger Reaktion“, so erklärte Oberstaatsanwalt Christian Preissner bei der Verlesung der Anklage, hätte der Beamte den Gewahrsam „deutlich vor Ablauf von zwei Minuten nach Ausbruch des Feuers erreichen können“. Regina Götz, die in der Nebenklage den Vater des Toten vertritt, wies in einer Erklärung darauf hin, dass dieser Handlungsablauf eine von vielen Möglichkeiten sei. „Wir halten die Anklage für eine Hypothese, die denkbar, aber wenig plausibel ist.“

Polizeihauptkommissar Andreas S., der sich vor Gericht umfänglich eingelassen hat, war am 7. Januar 2005 über eine Gegensprechanlage mit der Zelle von Oury Jalloh verbunden. Vor Gericht räumte er ein, den Feueralarm zweimal kurz hintereinander ausgeschaltet zu haben, „um den weiteren dienstlichen Ablauf zu gewährleisten“. Er habe zusammen mit seiner Kollegin Beate H. aus der Sprechanlage ein „Plätschern“ gehört und „Klappern und Schreie, was man nicht so richtig identifizieren konnte“. Er sei von einem Wasserschaden ausgegangen, habe aber vorgehabt, nachzuschauen. Eine Kollegin hat dagegen ausgesagt, der Beamte habe sich erst in Bewegung gesetzt, nachdem sie ihn „energisch aufgefordert“ habe und ein weiterer Alarm losging. Für eine Rettung war es da zu spät.

Es ist die Polizeibeamtin Beate H., die bei diesem Prozess wohl eine Schlüsselrolle spielen wird. Ihren Aussagen ist es zu verdanken, dass überhaupt Anklage gegen den Dienstgruppenleiter und einen weiteren Kollegen erhoben wurde. Der zweite Beschuldigte, Hans-Ulrich M., der sich wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen verantworten muss, hatte Jalloh durchsucht. Er bestreitet energisch, in dessen Hose ein Feuerzeug übersehen zu haben. Wenn es aber nicht in der Hose des Festgenommenen steckte, wo kam es dann her?

Der Fall Oury Jalloh hat inzwischen international für Aufsehen gesorgt. Das liegt auch daran, dass das Landgericht Dessau sich zwei Jahre lang nicht in der Lage sah, über die Prozesseröffnung zu entscheiden. Nun sitzen im Saal nicht nur zahlreiche Beobachter internationaler Menschenrechtsgruppen, sondern auch ein Halbbruder von Oury Jalloh und seine Mutter. Sie ist aus Guinea angereist und verfolgte den ersten Prozesstag sichtlich erschüttert. Das Urteil wird voraussichtlich im Mai gesprochen.

Constanze von Bullion[Dessau]

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