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Politik: Bedingt beitrittsfähig

Von Thomas Gack, Brüssel Der zweitägige Besuch des tschechischen Premierministers Milos Zeman in Brüssel steht ganz im Zeichen der Schadensbegrenzung. Doch ganz lässt sich der politisch brisante Streit um die so genannten Benes-Dekrete bei den Gesprächen mit Kommissionspräsident Romano Prodi und EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen nicht hinter dem gnädigen Schleier der Diplomatie verstecken.

Von Thomas Gack, Brüssel

Der zweitägige Besuch des tschechischen Premierministers Milos Zeman in Brüssel steht ganz im Zeichen der Schadensbegrenzung. Doch ganz lässt sich der politisch brisante Streit um die so genannten Benes-Dekrete bei den Gesprächen mit Kommissionspräsident Romano Prodi und EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen nicht hinter dem gnädigen Schleier der Diplomatie verstecken.

,,Wir hoffen sehr, dass nach den tschechischen Wahlen in drei Wochen das Vokabular wieder abgerüstet wird“, meinte der SPD-Europaabgeordnete Klaus Hänsch vor der Ankunft Zemans in Brüssel. Die Regierung in Prag hatte die Benes-Dekrete, die nach dem Zweiten Weltkrieg zur Rechtfertigung der Enteignung und Vertreibung der deutschen Minderheit erlassen wurden, als ,,eine der Quellen des künftigen Friedens“ bezeichnet - eine Äußerung, die der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, der CDU-Abgeordnete Elmar Brok, als ,,erschreckend“ bezeichnete.

Dennoch sind sich alle in Brüssel einig, dass sich die sachlichen Probleme, die sich hinter dem Schlagabtausch zwischen Zeman und dem bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber verbergen, letztlich lösen lassen. Der Auswärtige Ausschuss des Europaparlaments jedenfalls bemühte sich am Vortag des Besuchs des tschechischen Premierministers, die Wogen zu glätten.

Einstimmig nahm der Ausschuss einen Kompromissantrag an, der sich dem Standpunkt der EU-Kommission anschließt, dass die ,,Präsidentendekrete der Nachkriegszeit heute keine rechtlichen Auswirkungen mehr haben". Andererseits fordert das EU-Parlament, ,,für den Fall, dass die tschechische Rechtsordnung auf Grund der alten Dekrete immer noch dikriminierende Formulierungen enthält, diese spätestens zum Zeitpunkt des EU-Beitritts zu beseitigen.“

Ein vorläufiges Gutachten des juristischen Dienstes der EU-Kommission, das in Teilen am Donnerstag bekannt wurde, kommt tatsächlich zu dem Schluss, dass gewisse Regelungen, die sich aus den Benes-Dekreten ableiten lassen, nach wie vor in Kraft sind. So können zum Beispiel nur tschechische Staatsbürger die Wiedergutmachung für Enteignungen in Anspruch nehmen. Auch die Verjährungsfristen für schwere Straftaten – zum Beispiel Mord an Deutschen nach dem Krieg – halten offenbar der Überprüfung nicht stand.

Die zwei unabhängigen Gutachter sollen der Frage nachgehen, ob das tschechische Recht gegen das Diskriminierungsverbot der EU verstößt. ,,Es muss bei einem Beitritt Tschechiens sichergestellt werden, dass das tschechische Recht mit dem EU-Recht übereinstimmt“, fordert Brok. Diese Grundregel für die Aufnahme eines neuen Mitgliedslandes in die EU scheint die Regierung in Prag auch stillschweigend zu akzeptieren. Der tschechische Botschafter bei der EU, Libor Secka, versicherte im ,,Handelsblatt“, dass die Regierung in Prag die Ergebnisse der Gutachten eingehend analysieren werde.

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