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Ein Plakat mit der Aufschrift ·Ja! - Berlin 2030 Klimaneutral· steht auf der Frankfurter Allee.

© dpa/Christophe Gateau

Berlin 2030 klimaneutral: Was wären die Folgen?

Am Sonntag stimmt Berlin über einen Volksentscheid ab, wonach die Stadt nicht 2045, sondern schon 2030 klimaneutral werden soll. Drei Experten äußern sich.

Den Klimaaktivisten geht es nicht schnell genug. Sie wollen, dass die Hauptstadt nicht erst 2045, sondern schon 15 Jahre früher klimaneutral werden soll. In unserer Serie „3 auf 1“ erklären drei Experten, wie realistisch das ist. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Die Landesgrünen sind erst nach Verrenkungen dabei, das Fehlen vieler großer Umweltorganisationen ist auffällig. Dem Klima-Volksentscheid fehlen viele glaubwürdige Unterstützer. Woran liegt’s? Es ist eine reizvolle Utopie, dreimal so schnell wie Deutschland (Ziel 2045) klimaneutral zu werden. Das Problem: Sie ist nicht in die Realität umzusetzen.

Die Berliner (Rest-)Industrie kann zum Beispiel nicht isoliert und vor der Reife der Technik umsteigen. Der ÖPNV müsste in realitätsferner Geschwindigkeit auf mehrfache Kapazität ausgebaut werden. Und auch die Wärmeversorgung – Berlins größte Emissionsquelle – kann nicht so schnell umgekrempelt werden.

Es fehlen Fachkräfte, Fernwärmeleitungen und grüner Wasserstoff. Drastische Verlagerungseffekte sind zu befürchten: Unternehmen würden die Stadt verlassen, vieles würde deutlich teurer, nicht zuletzt die Mieten. So sehr, dass der Staat es auch nicht mehr auffangen könnte. Berlin hätte sich mal wieder verrannt, um wie beim Mietpreisdeckel an der Wirklichkeit zu scheitern.


Um Scholz-Sprache zu verwenden: Es müsste Kawonz machen. Vor allem im Verkehrssektor. Während Privathaushalte, Handel und Energiesektor ihre CO2-Emissionen seit 1990 etwa halbierten, sanken sie im Verkehr nur während der Coronajahre signifikant. Um Klimaneutralität in kurzer Zeit zu erreichen und so das Erreichen von Klima-Kipppunkten zu verhindern, wären teure Tunnelträumereien, wie sie die BVG jüngst mit ihrem Verdopplungsplan für das U-Bahn-Netz vorstellte, fehl am Platz.

Statt 30 Jahre an U-Bahnen zu planen, statt die A100 durch dichtbesiedelte Gebiete weiterzubauen, müssten im Fall der Annahme des Volksentscheides Straßenbahntrassen, Radwege und Fußgängerzonen von nervigen Nebenprojekten zur Chefsache werden. Die Ideen gibt es schon jetzt. Allein 16 Tram-Vorhaben enthält der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr 2030 des Senats. Wie eine autoärmere – und damit lebenswertere – Innenstadt ohne Friedrichstraßen-Debakel geht, machen Großstädte wie Barcelona, Ljubljana oder Paris vor.


Wer den jüngsten Bericht des Weltklimarates gelesen hat, konnte nicht den Eindruck gewinnen, dass es die Politik zu eilig hat mit dem Klimaschutz. Das gilt auch für den scheidenden Berliner Senat.

Und ob Kai Wegner in Sachen Klimaschutz mehr als Lippenbekenntnisse abgegeben hat, wird sich zeigen. Damit der neue Senat nicht in drei Jahren mit einem Schulterzucken die eigene Untätigkeit kommentiert, ist Druck von außen heilsam. Natürlich ist von einer Regierung, die schon an der Terminvergabe in den Bürgerämtern scheitert, nicht zu erwarten, dass sie es schafft, die CO2-Emissionen bis 2030 um exakt 95 Prozent zu senken.

Aber eine gesetzliche Verpflichtung ist politisch und juristisch wirkmächtiger als ein unverbindliches Ziel für 2045. Dass Klimaschutz kostet, ist klar. Aber mangelnder Klimaschutz ist viel teurer.

Und mit dem Volksentscheid soll im Gesetz festgeschrieben werden, dass höhere Warmmieten ausgeglichen werden müssen. Mehr als 100 andere Städte haben sich auf 2030 verpflichtet. Da sollte Berlin nicht zurückstehen.

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